Kapitale Möglichkeitentun & lassen

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Republik heißt res publica, unsere gemeinsame Sache. Reichtum ist etwas Privates, was jemandem alleine gehört. Reichtum ist aber auch all das, was einfach da ist. In Texten der Antike war diese Unterscheidung präsent. Die Herde der Tiere als mein privater Reichtum. Und die Tiere, die die Früchte der Erde herbeitragen: Wein, Trauben, Korn, Wasser und duftende Öle.Arm ist, wer nicht genug von dem hat, was er braucht. In Wohlstand lebt, wer etwas mehr hat, als er braucht. Und reich ist, wer mehr hat, als er braucht, und bei dem dieses Mehr immer mehr wird.

Die Frage, was Reichtum sei, ist so alt und umkämpft wie die Bewertung von Armut. Handelt es sich dabei ja um die Auseinandersetzung darüber, was wir in Fülle haben wollen und was uns als Mangel erscheint. In diesem Sinne sind die Begriffe arm und reich beinahe unbegrenzt anwendbar. Jemand kann arm an Gefühlen, aber reich an Geist sein, ein anderer mag arm an intellektuellen Begabungen sein, aber dennoch reich in Bezug auf die Zuneigung, die er empfängt. Von innerem Reichtum lässt sich ebenso sprechen wie von einer reichen Gesellschaft, deren moralischer Zustand dennoch einem Armutszeugnis gleicht.

Neben Besitz und Vermögen, also dem Bereich, der beim Thema Reichtum der offensichtlichere ist, kann ein Land Reichtümer im Bereich der öffentlichen Güter bzw. öffentlichen Leistungen haben: vom Bereich des Humankapitals also vom Wissen und Können der Menschen bis hin zu hohen Sozialstandards. Ein gutes Qualifikationsniveau der Bevölkerung ist eine wichtige Voraussetzung für wirtschaftliches Wachstum und Prosperität. Ein gutes Gesundheitssystem und die solidarische Absicherung von Risken wie Arbeitslosigkeit oder Alter zählen zum Reichtum einer Gesellschaft. Sie sind Reichtums- und Wohlstandsindikatoren.

Es lohnt sich im Trommelfeuer der vorgetragenen Verknappung von Mitteln, der permanenten Sparlogik und Opferrhetorik die Fülle in den Blick zu bekommen. Es lohnt sich, die ökonomischen Sachverhalte zu überprüfen, die uns als unumstößliche Wahrheit präsentiert werden. Es lohnt sich, die Produktionsstätten neu-alter Ideologien auszuheben, die Glück und Freiheit versprechen und soziale Polarisierung bringen.

Sowie Armut mit „sozialer Ausgrenzung“ genauer beschrieben werden kann, so geht es bei Reichtum nicht in erster Linie um das ausgegebene Geld, nicht um die konsumistische Seite. Es geht um den Möglichkeitsraum, den Reichtum für die betreffenden Personen aufmacht. Es geht um die politische Durchsetzungskraft, die sich Reichtum schafft, um die Bedingungen immer mehr zu seinen Gunsten zu verschieben. Reichtum definiert sich durch seine „kapitalen“ Möglichkeiten. Die Macht der Möglichkeiten nicht auf wenige zu beschränken, sondern allen zugänglich zu machen, ist nach wie vor die große Herausforderung unserer „gemeinsamen Sache“, der res publica, der Politik.