Karntna Bluus is here to stayArtistin

Konfliktbereitschaft und Dialektaffinität: eine Kombination, die dem Dichter Bernhard C. Bünker in Kärnten nicht nur Freund:innen verschaffte (Foto von 1983/84 © Klagenfurter Kinomuseum)

Heuer wäre der streitbare Kärntner Heimatdichter Bernhard C. Bünker 75 Jahre alt geworden. Dass die Mundartdichtung einen literarischen Stellenwert in Österreich erhielt, ist ihm zu verdanken. Zum Geburtstag gibt es eine CD mit Vertonungen von Gottfried Gfrerer.

Bisweilen, wirklich nicht immer, haftet der Kärntner Heimatdichtung etwas an, das mehr ist als bodenständiger Stolz auf einen Ort, in den man ohne viel eigenes Zutun hineingeboren wurde. Fühlt sich dieser Stolz höher an als der Großglockner und tiefer als der Wörthersee, dann sollte man aufpassen, wohin Lyrik und Prosa fließen. Bernhard C. Bünker war es ein Anliegen, gegen die «Verkitschung der Dialektdichtung im Sinne unrealistischer Wirklichkeitsschau, Postkartenmalerei und Heimattümelei» zu schreiben. Das ist einer der Gründe, warum der 1948 in Leoben geborene, in Raden­thein aufgewachsene und 2010 in Rastenfeld im Waldviertel verstorbene Lyriker und Erzähler zeitlebens mit seiner Heimat im Unfrieden war. Er verstand sich nicht nur als Mundartdichter sondern auch als «Heimatdichter» – allerdings gaben seine Texte nicht das wieder, was in Kärnten gemeinhin als Heimatliteratur missverstanden wurde: Seine Themen reichten vom Tourismus und «dem Ausverkauf der Heimat» bis hin zu Fremdenhass und Rassismus.

Der Kärntner Anzug und seine Träger

In den 1970er-Jahren lebte Bünker in Wien, wo er Geschichte, Kunstgeschichte, Volkskunde und Philosophie studierte und später als Religionslehrer arbeitete; eine literarisch sehr produktive Zeit. Er lebte damals mit seinem Bruder Michael Bünker, der von 2008 bis 2019 Bischof der Evangelischen Kirche A. B. in Österreich war, in einer Wohnung in der Theresiengasse in Währing.
Bünkers Konfliktbereitschaft in seiner Auseinandersetzung mit den politischen Verhältnissen in Kärnten zieht sich wie ein roter Faden durch sein Leben und Werk. 1980 erschien sein Buch Des Schtickl gea i allan, weitere Bücher, vor allem im Kärntner Dialekt, folgten. Exemplarisch für seine kritische Betrachtungsweise ist sein 1979 in der Kärntner slowenischsprachigen Kultur- und Literaturzeitschrift mladje erschienener Aufsatz «Untersuchungen zur Korrelation des Kärntner Anzuges und dessen Trägern». Darin hieß es unter anderem: «Es ist unbestreitbar und durch empirische Erfahrung beweisbar, dass das innere Erscheinungsbild des aufrechten Kärntners seinen sichtbaren, augenfälligen Niederschlag findet.» Und weiter: «Am 10. Oktober beispielsweise, wenn heimattreue Kärntner rudelweise zu den Klängen des Kärntner Liedermarsches in fester Formation unter heiligen Fahnen dahinmarschieren, fühlt sich ein schlecht informierter Zuschauer leicht an den Marschtritt der braunen Kolonnen von anno dazumal erinnert.» Der Text brachte ihm nicht zuletzt auch Morddrohungen seiner Kärntner Landsleute ein – und interessanterweise erhitzt die über 40 Jahre alte Prosa auch heute noch die Volksseele. «Das war eine unvorstellbare Aufregung damals», sagt Michael Bünker. «Man hat fast geglaubt, jetzt bekommt Bernhard Einreiseverbot.»

Vom Blues zum Bluus

Dialektliteratur gibt es mindestens seit dem 17. Jahrhundert. Im Österreich des 20. Jahrhunderts ist es nicht zuletzt Bernhard C. Bünker zu verdanken, dass sie keine literarische Randgruppe mehr ist, sondern auch wahrgenommen wird. Er war unter anderem Gründer des Dialektstammtisches im legendären Beisel «Beim Kovacic» (in dem unter anderem auch der junge Ludwig Hirsch verkehrte, das es heute aber längst nicht mehr gibt), Gründer des Österreichischen Dialekt­archives (mit Hans Haid), das die Arbeit von Dialektautor:innen katalogisiert, archiviert und ein Publikum zu schaffen versucht, sowie Herausgeber der ersten österreichischen Dialektzeitschrift MORGENSCHTEAN (auch sie gibt es noch). Gemeinsam mit dem Autor Manfred Chobot zeichnet Bünker für das Standardwerk der zeitgenössischen österreichischen Dialektliteratur Dialekt-Anthologie 1970–1980 verantwortlich. Das beeinflusste andere Autoren oder lockerte zumindest den Boden für deren Arbeit, wie etwa HC Artmann, Christine Nöstlinger, Felix Mitterer, Peter Turrini, Axel Karner oder Richard Weihs.
Ende der 1980er-Jahre lernten sich Bernhard Bünker und der Musiker Gottfried Gfrerer kennen. «Der Bernhard hat angefangen, Liedtexte zu schreiben und jemand gesucht, der das vertont», erinnert sich Gfrerer an die Anfänge ihrer Zusammenarbeit. «Er war ein Blues-Fan durch und durch. Sam Lightnin’ Hopkins war einer seiner Lieblingsmusiker. Ich habe damals selbst sehr viel Blues gespielt und mir die alten Blues-Meister reingezogen. So hatten wir dann die Idee, das Kärntner-Lied und den Blues miteinander zu kombinieren. Das war der Anfang.» Bernhard Bünker schrieb die Texte, Gfrerer vertonte sie, gemeinsam standen sie über Jahre hinweg auf der Bühne. Die jetzt im Klagenfurter Heyn-Verlag erscheinende CD Wonn du amol geast wurde bereits 1998 geplant und aufgenommen – aber nie veröffentlicht, weil sich die Wege der beiden Künstler trennten. «Ich weiß eigentlich gar nicht mehr warum», erinnert sich Gfrerer nicht. Gute 25 Jahre später, nachdem Bünkers Nachlass vom Kärntner Literaturarchiv aufgearbeitet wurde und seine Werke kontinuierlich im Heyn-Verlag erscheinen, beschloss Verlagsleiter Achim Zechner, die CD in die Werkausgabe des streitbaren Heimatdichters aufzunehmen. «Der Blues ist etwas Archaisches, das ist einfach Volksmusik», sagt Gfrerer. «Genauso wie das Kärntner-Lied, das ist auch archaisch, Volksmusik eben. Und das kann man wunderbar miteinander kombinieren. Bernhard hat im Blues auch gesehen, was man politisch verwenden kann und es im Kärntner Dialekt umgesetzt» – zum Karntna Bluus eben. «Das bemerkenswerte an Bünkers Texten ist ihre visionäre Kraft», sagt Achim Zechner. «Jahrzehnte später reden wir in Kärnten immer noch über die gleichen Themen, wie etwa freie Seezugänge oder den Ausverkauf der Hamat. Deshalb ist es so wichtig, dass Bernhards Texte nicht vergessen werden.»

Dichter und Fischer

Als Jörg Haider 1999 zum zweiten Mal Landeshauptmann wurde, meldete Bernhard Bünker seinen Zweitwohnsitz bei seinen Eltern in Kärnten ab; er stornierte alle geplanten Buchveröffentlichungen und zog sich ins Waldviertel zurück, wo er seine literarische Arbeit fast zur Gänze einstellte. «Es ist mir nicht leichtgefallen, meine Wurzeln aus der Kärntner Erde zu ziehen, aber sie stinkt mir doch zu sehr nach ‹Blut und Boden›. Abgesehen davon bin ich es ein für allemal müde, mich für etwas schämen zu müssen, wofür ich nichts kann», schrieb er an die IG Autorinnen Autoren. Statt zu schreiben konzentrierte er sich auf das Fischen und wurde Fischerei-Aufseher am Ottensteiner Stausee. «Das muss man sich vorstellen», sagt Michael Bünker. «Der begnadete ehemalige Schwarzfischer wird Fischerei-Aufseher.»
Bernhard Bünkers Entwicklung als Autor «ist hauptsächlich geprägt von den Ereignissen in Kärnten, besonders durch den Aufstieg von Jörg Haider, dem Role-Model aller Rechtspopulisten unserer Zeit», sagt Michael Bünker. «Er hatte immer ein ambivalentes Verhältnis zu Kärnten. Einerseits war da die Kritik an den Zuständen im Land – aber gleichzeitig auch eine enge Verbundenheit mit seiner Heimat, mit seinem Aufwachsen dort.» Auch nachdem in Kärnten plötzlich vieles möglich wurde, wie «etwa das Aufstellen zweisprachiger Ortstafeln, glaube ich nicht, dass sich sein Verhältnis zu Kärnten jemals wieder eingerenkt hat.»
Bernhard Bünker verstarb im Jahr 2010 in Rastenfeld an durch eine Hepatitis-Erkrankung verursachtem Leberkrebs. Seine Asche befindet sich auf seinem ehemaligen Grundstück «unter einem Rosenstock, den seine Freunde für ihn gepflanzt haben. Aber der Gedenkort für Bernhard sind seine Gedichte. Es gibt keinen anderen Ort, an dem man seiner gedenken könnte».

 

Wonn du amol geast. Karntna Bluus
Lieder von Gottfried Gfrerer nach Texten
von Bernhard C. Bünker
CD mit 15 bisher unveröffentlichten Titeln
Johannes Heyn Verlag