Katastrophe Wohnungsmarkttun & lassen

Über Mietrechts- und wohnpolitische Fragen

tun_IraschkoSchlager.jpgLeistbares und zeitgemäßes Wohnen wird immer öfter zur Traumvorstellung vieler Menschen. Teuerungen bei Lebensmitteln und Energie sind nicht ohne, aber regelrechte Preis-Explosionen gab es in den letzten gut 15 Jahren am Wohnungsmarkt. Zu verdanken ist es der Mietrechtsreform aus dem Jahr 1994 und dem fehlenden öffentlichen Wohnbau. Doris Schlager und Josef Iraschko von der überparteilichen MieterInnen-Initiative berichteten dem Augustin Haarsträubendes vom Immobilienmarkt und machten Vorschläge zu einer Mietrechtsreform.

Der Wohnungsmarkt ist heutzutage eine Katastrophe, meint Josef Iraschko, Mietrechtsexperte und Mitbegründer der MieterInnen-Initiative. Wer diesen Markt versorgen kann, wird kaum Grund zum Trauern haben, auch nicht die Wohnungsvermittler, denn Österreich sei ein Dorado für die Maklerbranche, so Iraschkos Kollegin Doris Schlager.

Ihre Initiative unterscheidet sich von anderen Organisationen für MieterInnen grundlegend: Schlager, Iraschko und ihre Kolleginnen bieten nicht nur kostenlos, also ohne Zwangsmitgliedschaft, Mietrechtsberatungen an, sondern betreiben auch Wohnpolitik. Dazu Iraschko: Ich habe bei anderen Mieterberatungen gearbeitet. Mich stört, dass sie allein im Service ihre Aufgaben sehen und nicht als politische Bewegung gegen diese unglaublichen Preissteigerungen am Wohnungsmarkt und eigentlich auch gegen die Gesetze, die sich alle gegen die MieterInnen wenden, vorgehen.

Blankoscheck Zuschlagssystem

1994 erfolgte eine Zäsur die damalige Mietrechtsreform brachte den Segen für VermieterInnen von Altbauwohnungen und die Krot für potentielle MieterInnen. Es wurde ein neues Zinsberechnungssystem eingeführt, und zwar die Richtwertzinse. Diese sind etwa doppelt so hoch wie die Kategoriemietzinse bei Vertragsabschluss vor 1994. Mit anderen Worten, nach 1994 abgeschlossene Verträge für Altbauwohnungen weisen generell höhere Mieten auf und wurden darüber hinaus auch noch mit dem Blankoscheck Zuschlagssystem ausgestattet: Das Zuschlagssystem ist undurchschaubar und somit schwer kontrollierbar. Die Vermieter sagen meist nicht, für was sie Zuschläge verlangen (im Mietvertrag muss nur der Lagezuschlag vermerkt werden, Anm.), dadurch haben diese Wohnungen das Preisniveau von jenen, die keinen Mietzinsbeschränkungen unterliegen, also den Neubauten, erreicht, so Doris Schlager. Berechnungen ihres Kollegen belegen, dass Altbauwohnungen aufgrund der Gesetzesänderung von 1994 (rechts-)problemlos, um den gut dreifachen Netto-Zins vermietet werden können, ohne dass irgendetwas investiert wurde, moniert Josef Iraschko.

Seine Kollegin liefert das Stichwort Inflationsanheizung für Iraschko eine Katze, die sich in den Schwanz beißt. Schlager erläutert: Die Inflation steigt durch die Mietzinse, diese wiederum dürfen dem Verbraucherpreisindex angepasst werden, der voll an die MieterInnen weitergegeben wird. In diesem Jahr stieg die Regierung etwas auf die Bremse, denn der Verbraucherpreisindex wird nach der Inflationsrate des vorhergehenden Dezembers erhoben. Im Dezember 2007 erreichte die Inflation eine Rekordhöhe von 3,6 Prozent, was auch die PolitikerInnen bei den ganzen Teuerungen erschrecken ließ, so Iraschko. Nach der Erholung vom Schrecken wurden die Richtwertmieten um nur 2,2 Prozent erhöht, was der durchschnittlichen Inflationsrate für 2007 entspricht. Für Iraschko nichts anderes als eine Verlogenheit, denn sie (die PolitikerInnen, Anm.) bräuchten nicht so erschrocken tun, so als würden die Mieten jetzt auf einmal explodieren, die Ursache liege einfach in den Gesetzen von 1994.

Petition an Ministerien

Die MieterInnen-Initiative geht über eine Kritik des bestehenden Mietrechts hinaus. Erst vor kurzem schloss sie eine Petition, die an Justizministerin Maria Berger und Wirtschaftsminister Martin Bartenstein adressiert wird, ab. Die Petition beinhaltet im Wesentlichen zwei Forderungen: Als Sofortmaßnahme die Reduzierung der Mietzinse und längerfristig Änderungen im Wohnrecht wie schriftliche Begründungen aller Zuschläge und eine Senkung der Provisionskosten, die im europäischen Vergleich in Österreich am höchsten sind. Konkret hieße das, bei befristeten Verträgen eine Monatsmiete Provision, bei unbefristeten zwei. Jetzt sieht die Immobilienmaklerverordnung bei einer Befristung von drei Jahren noch zwei Monatsmieten Provision vor alles, was darüber hinausgeht, drei Monatsmieten. Die Praxis zeige, was man nicht glauben möchte, so Schlager, dass Mietverträge auf drei Jahre und einen Tag abgeschlossen würden diese Verarsche untermalt sie mit Kopfschütteln und Lachen.

Den nächsten Schritt in Sachen Wohnpolitik setzen sie mit der Konferenz Wohnen macht arm (siehe Kasten), die gemeinsam mit der Österreichischen HochschülerInnenschaft (ÖH) Anfang Mai veranstaltet wird. Die ÖH hat jetzt auch gesehen, dass nicht nur die Studiengebühren, sondern auch die Wohnkosten für Studierende ein zentraler Faktor sind, hält Schlager fest. Neben der wohnpolitischen Tagung arbeiten die ÖH und die MieterInnen-Initiative in Form einer Wohnrechtsberatung für Studierende zusammen. An zwei Terminen in der Woche können sich Studierende von Doris Schlager und Josef Iraschko Hilfe zur Selbsthilfe holen, was auch in Anbetracht der seit 1. 1. 2007 gewährten Wohnbeihilfe für Wohngemeinschaften in Wien gerne genützt wird. Auch per E-Mail werden Fragen beantwortet, was für viele Studierende aus den Bundesländern sehr sachdienlich ist.

Überwälzte Erhaltungskosten

Was die MieterInnen-Initiative nicht anbieten kann, ist Unterstützung bei der Wohnungssuche, doch gibt es Probleme wie überhöhter Mietzins, (drohende) Kündigungen oder nicht vollständige Ausbezahlung der Kaution bei Wohnungsrückgabe, dann stehen Doris Schlager und Josef Iraschko mit Rat und Tat zur Seite. Viele Anfragen kämen in letzter Zeit zu Erhaltungsarbeiten im Inneren der Wohnung, vor allem Reparaturen an Therme und Boiler, Schimmelentfernung oder Ausmalen bei Vertragsende. Der Arbeiterkammer gelang nach dreijähriger Prozessdauer ein Erfolg, der Oberste Gerichtshofes entschied, es sei nicht zulässig, die Erhaltungsarbeiten der Mieterin, dem Mieter weiterzugeben. Doch Doris Schlager präzisiert, dieses Urteil gilt nur für gewerbliche Vermieter und gewerblich bedeute, mindestens fünf Wohnungen zu vermieten. Doch damit ist diese Angelegenheit nicht erledigt, denn viele VermieterInnen, allen voran die Gemeinde Wien als riesige gewerbliche Vermieterin, aber auch gemeinnützige weigern sich, dieses Urteil anzunehmen, weiß Iraschko aus Erfahrung: Sie hoffen, dass sich MieterInnen nicht trauen zu klagen. Oft bekomme er in der Beratung zu hören: Soll ich wegen 1000 Euro klagen? Daher fordert die MieterInnen-Initiative auch das Klagsrisiko für Vermietende, was mit Abschaffung der Kaution erreicht wäre.

Für finanziell Schwache bietet die MieterInnen-Initiative einen Rechtshilfe-Fonds an, das heißt, sie übernimmt das Kostenrisiko im Falle eines Prozesses. Bis dato wurde jeder gewonnen, bloß einer befindet sich zurzeit noch in zweiter Instanz.

Fehlender öffentlicher Wohnbau

Ein besserer MieterInnenschutz würde nicht nur das Klagsrisiko für diese minimieren, sondern auch die Mieten nach unten drücken. Die Immobilienvertretung argumentiere immer, dass der bessere Schutz der MieterInnen die Preise in die Höhe treiben würde, so Doris Schlager, doch die Zeit des Roten Wien, wo es einen strikten Schutz gegeben hat, widerlege die Immobilienvertretung. Darüber hinaus müsse natürlich auch der öffentliche Wohnungsbau, der eingestellt wurde, wieder eingeführt werden, das würde Preisdruck auf den freien Markt ausüben.

Info:

MieterInnen-Initiative

Terminvereinbarung unter:

(01) 319 44 86

E-Mail: office@mieterinnen.org

Liechtensteinstraße 123/20

1090 Wien

www.mieterinnen.org



Wohnrechtsberatung für Studierende:

Di., 912, und Do., 1316 Uhr

Tel.: (01) 310 88 80-52

Taubstummengasse 79

1040 Wien

E-Mail: wohnrecht@oeh.ac.at

Konferenz Wohnen macht arm

Am 7. Mai von 1119 Uhr

Aula des Uni-Campus Wien (Altes AKH)

Spitalgasse 24, 1. Hof

1090 Wien

Folgende drei Bereiche werden behandelt: Neue Wege in der Wohnpolitik, Katastrophe Wohnungsmarkt und Recht auf Wohnen ist Menschenrecht.

Darüber hinaus zwei Workshops zu: Recht auf Wohnen. Leistbares Wohnen. MieterInnenschutz und Öffentlicher versus privater Wohnbau.



Radio-Tipp: Die beiden WohnrechtsberaterInnen sind am 28. April zwischen 15 und 16 Uhr bei Radio Augustin auf Orange 94,0 zu hören.