Keine Kur für J.tun & lassen

Frauen leisten nach wie vor zwei Drittel der unbezahlten Arbeit

Kuraufenthalte sind in Österreich nur für Erwerbstätige vorgesehen. Frauen, die auf Lohnarbeit verzichten, um stattdessen Kinder großzuziehen, haben das Nachsehen.

Von Christian Bunke


Illustration: Karl Berger

Ein Gedankenspiel: Stellen Sie sich vor, dass Sie über Jahrzehnte schwere körperliche Arbeit leisten. Hinzu kommt auch psychischer Stress. Sie sind in einem Job, der zumindest zeitweise regelmäßige Nachtarbeit verlangt. Wochenenden sind in bestimmten Phasen eher Luxus, quasi ein Lichtstreif am Horizont, ein unbestimmtes Zukunftsversprechen.

Was ist das für ein Job, fragen Sie? Wie wird er bezahlt? Hoffentlich kriegt man mindestens 5.000 Euro im Monat? Man kriegt gar nichts. Besser gesagt: Frau kriegt gar nichts. Die Rede ist von unbezahlter Hausarbeit, welche von Müttern verrichtet wird, während der Mann seiner Vollzeittätigkeit nachgeht.

In dieser Situation befindet sich J. Eines Tages dachte sie sich: Jetzt brauche ich eine Kur. Also stellte sie ihren «Heilverfahrensantrag» bei der Pensionsversicherungsanstalt. Sich ein paar Wochen mal ausschließlich um die eigene Gesundheit kümmern können, das wäre schon etwas Feines. Die Post übermittelte J. folgendes Schreiben: «Die Pensionsversicherungsanstalt bedauert Ihnen mitteilen zu müssen, dass Ihrem Antrag nicht stattgegeben werden kann, da die erforderliche Mindestanzahl an Versicherungsmonaten gem. §2 der verbindlichen Richtlinien des Hauptverbandes der österreichischen Sozialversicherungsträger nicht vorliegt.»

Einschnitt.

J. ist bei ihrem Mann mitversichert, war neben ihrer Haushaltstätigkeit nur geringfügig erwerbstätig. Auf eine telefonische Nachfrage bei der PVA sagte man ihr: «Frauen, die bei ihren Männern mitversichert sind, haben auch keinen Anspruch auf Kur.» Auch der AUGUSTIN fragte bei der PVA nach. Die Antwort: «Mitversicherte Ehefrauen haben keinen Anspruch auf Gesundheitsvorsorgemaßnahmen aus der Pensionsversicherung. Gegebenenfalls wäre eine Anfrage an den zuständigen Krankenversicherungsträger möglich.»

Aber immerhin hat die Frau doch geringfügig gearbeitet? Da müsste doch was zu machen sein? Die PVA sagt nein: «Bei geringfügigen Beschäftigungsverhältnissen ist kein Anspruch auf Gesundheitsvorsorgemaßnahmen aus der Pensionsversicherung gegeben. Geringfügig Beschäftigte sind nur unfallversichert.» Aber: «Geringfügig Beschäftigte nach dem Allgemeinen Sozialversicherungsgesetz haben die Möglichkeit, sich in der Pensions- und Krankenversicherung selbst zu versichern.» Das kostet natürlich, und bringt entsprechende Lohneinschnitte mit sich.

Ausschluss.

Es ist ein Fakt: Wer in Österreich keine Lohnarbeit leistet, ist von vielen Leistungen des österreichischen Sozialsystems ausgeschlossen. Auch wer «nur» Teilzeit- oder geringfügige Arbeit leistet, kriegt Schwierigkeiten. Die Mehrheit der von diesen Schwierigkeiten betroffenen Personen sind Frauen. In einem 2015 erschienenen Artikel schreibt die Sozialforscherin Claudia Sorger: «Mit der Übernahme von Versorgungspflichten für Kinder findet im Normalfall eine Umschichtung der bezahlten und unbezahlten Arbeit von Männern zu Frauen statt.» Und: «In Österreich ist die Ungleichverteilung zwischen diesen beiden Arbeitssphären nach wie vor sehr ausgeprägt: Frauen leisten rund 66 % der unbezahlten Arbeit und Männer 34 %, während sich das Verhältnis bei der Leistung bezahlter Arbeit umkehrt. 39 % der bezahlten Arbeit wird von Frauen und 61 % von Männern geleistet.»

Sorger beschreibt «eine hohe Verbreitung der Vollzeit-Teilzeit-Haushalte mit vollbeschäftigten Männern und teilzeitbeschäftigten Frauen: Gibt es zwei Erwerbseinkommen in einer elterlichen Partnerschaft, beträgt dieser Anteil 71 % (…). Die Teilzeitquote der unselbstständig erwerbstätigen Frauen hat sich im Zeitraum 1995 bis 2013 von 27 % auf 45 % erhöht. (…) Der rasante Anstieg der Teilzeitbeschäftigung in den letzten Jahrzehnten bedeutet eine De-facto-Arbeitszeitverkürzung auf individueller Ebene ohne Lohnausgleich, die fast ausschließlich zu Lasten der Frauen ging. In derselben Zeit stagnierten Bestrebungen in Richtung einer generellen Arbeitszeitverkürzung.»

Rückwärtsentwicklung.

Heute möchte man hinzufügen, dass die schwarz-blaue Bundesregierung drastisch daran arbeitet, von einer Stagnation zu einer Rückwärtsentwicklung zu schreiten. Die Einführung des Zwölf-Stunden-Tages wird dazu führen, dass noch mehr Frauen für längere Zeiträume unbezahlte Hausarbeit und Kinderbetreuung verrichten werden.

Tätigkeiten, für die sie später bestraft werden, indem sie etwa geringere Pensionen als Vollzeit arbeitende Männer erhalten werden. Jede sechste Österreicherin im Pensionsalter ist armutsgefährdet. Trotzdem spielt unbezahlte Hausarbeit in den sozialen Auseinandersetzungen Österreichs immer noch eine untergeordnete Rolle. In den Gewerkschaften findet dieser Aspekt nur wenig bis gar keine Beachtung. Sorger kommentiert: «Wenn Krebs (2002) formuliert: ‹Kann denn Liebe Arbeit sein?›, dann beschreibt das den Umstand, dass informeller Arbeit, die im Familienverband geleistet wird, keine bzw. nicht ausreichend gesellschaftliche und ökonomische Bedeutung zugemessen wird.» Die Konsequenz daraus ist, dass J. nicht auf Kur fahren darf. Das dürfen nur Männer, die «richtige» Arbeit verrichten. J. findet das «voll gemein». Sie hat recht.