Kinder an die Musik!Artistin

Musikarbeiter unterwegs … the Kids sind in Ordnung!

Die Brüder Hans und Augustin, beide im Volksschulalter, haben als Chelios eine Band gegründet. Die klingt herzerfrischend.

TEXT: RAINER KRISPEL
FOTO: MARIO LANG

Markus und Micha Acher, die Brüder im Herzen der Band The Notwist, haben in Interviews immer von der Dixie­land-Band ihres Vaters erzählt, und von dessen Plattensammlung. Fundamente und Impulse für ihr eigenes Musikmachen, das die Brüder Acher in einer der konstant spannendsten europäischen Formationen seit 1989 betreiben. «Ich glaub’, zwei Jahre», sagt Hans, der ältere der beiden Chelios-Brüder, auf die Frage, wie lange es ihre Band schon gibt. Sonst sagt er nicht viel – es gibt Wichtigeres zu tun. Konkret, mit seinem jüngeren Bruder Augustin und einem spontan angesprochenen dritten Buben einen ordentlichen Kick mit dessen Fußball hinzulegen. Was ohne Worte die Theorie widerlegt, der Bandname würde sich eventuell vom Eishockey-Spieler Chris Chelios herleiten. Wie auch?! Als der aufhörte aktiv zu spielen, waren Hans und Augustin noch nicht auf der Welt.

Phantasiewort.

Thomas Pronai, Vater der Buben, klärt auf, dass Chelios ein Phantasiewort ist. Von denen finden sich einige in den Texten ihrer Lieder, die Hans geschrieben hat. Vier wurden bislang aufgenommen. Hans hat dabei Bass, Schlagzeug und Gitarre gespielt, und gesungen, wie auch Bruder Augustin. Der dazu noch an (Gitarren-) Feedback und Perkussion zu hören ist. «Ich stehe auf», «Verletzte Katze», «Ich bin ein Mensch» und «Wir sind Chelios» heißen die vier Lieder, die ich auf einer selbstgebrannten CD als wahren Schatz mit nach Hause bekomme. Chelios sind im Grunde Hans’ Sache, mit vier hat er eine Akustikgitarre bekommen. Er erzählt, dass ihm Thomas schon früh am Klavier Musik vorspielte. Gusti – so rufen ihn Bruder und Vater – ist der unverzichtbare coole Sidekick. Nicht auszuschließen, dass Nepomuk, der jüngste Bruder, später idealerweise als Drummer die Chelios verstärkt … Der Vater wiederum hat am Vorabend unseres Treffens mit seiner Band The New Mourning das neue Album When The Light Fades im Chelsea präsentiert. Während die ­Söhne eine sehr direkte musikalische Sprache wählen, hat das Quartett einen sehr entwickelten Sound und Stil. Durch den Rückgriff auf (auch) altes Material aus Thomas’ ersten Musiker­jahren, hat er zu Liedern gefunden, die er JETZT machen und spielen will. Die oft düsteren, pessimistischen Titel – «I Lost My Faith In You», «My Darkest Friend» – transzendiert die Musik aufs Schönste. Durch Thomas – als Musiker, Live- und Studio-Tontechniker und Veranstalter aktiv – war und ist Musik im Leben der Brüder eine große alltägliche Selbstverständlichkeit. Auch ihre Lieder atmen diese. Sind von einer Frische und Unmittelbarkeit, die weniger kindlich als einfach unverstellt ist. Dabei maximal vom Leben und Erleben von Hans und Gusti erzählt. Qualitäten, die so vieler hiesiger «erwachsener» Musik zunehmend abhandenkommen. Ersteres kann sie nicht mehr für sich reklamieren, und um als wirkliches künstlerisches Statement zu funktionieren, ist die meiste viel zu selbstgenügsam, unbegründet von der eigenen Wichtigkeit eingenommen, letztlich nichtssagend und öde. «Ich bin kein Wein zum Trinken – ich bin ein Mensch.»

Generationenwechsel.

«Bei den Konzerten war ich schon sehr angespannt», erzählt Thomas über sein Eben-nicht-Regenschirm-Begleiten der Söhne-Musik. In der näheren Umgebung ihrer burgenländischen Heimat haben sich ­Chelios schon live ereignet, mit ihren sieben bis neun Liedern – da ist sich Hans nicht ganz sicher. Mit der Mutter wird darüber gewacht, dass das keine falsche Dimension kriegt, dieses Musikmachen der Youngsters. In der Bandkasse sind zwar 700 Euro – da verfallen jetzt erwachsene Bands reihenweise –, aber ein Tonträger ist noch nicht in Sicht. Digital ist ihre Musik zu finden, zu «Ich stehe auf» gibt’s ein köstliches Video.
Das Fußballspiel, das mich schon vom Zuschauen schwitzend schwindlig macht, nähert sich dem Ende. Für die Chelios und Thomas geht’s zurück ins Burgenland. Auf der Bim-Heimfahrt sind die Gedanken viele. Generationen­wechsel, Zeit, Relevanz, wie gut es ist, dass die Kinder der Zeitgenoss:innen jetzt Musik machen sowieso, The Clash und ihre Fußballspiele, statt London Calling aufzunehmen … irgendwann fällt mir Pete Townshend ein. «Music must change» haben The Who 1978 veröffentlicht. Townshend ist jetzt im 78. Lebensjahr. Ein Mensch.

Video zu: «Ich stehe auf»
www.youtube.com/watch?v=qoa1R_zxVt8