Musikarbeiter unterwegs … backward and forward gleichzeitig
Im Juli 2020 ist Synthetik Athletik, eines der geilsten Alben der jüngeren hiesigen Popgeschichte, erschienen. Dessen Urheber, Heckspoiler, mischen immer wieder Wien auf.
TEXT: RAINER KRISPEL
FOTO: MARIO LANG
«Sie stengan mit Xerl am Boden, die san scheinbar einen Meter auseinander (…), die im gemeinsamen Haushalt haben tanzen dürfen miteinander.» Erzählt einer der beiden Heckspoiler – das Duo, nicht das Autobestandteil! – über das Konzert unter Corona-Bedingungen in der Linzer Kapu. Kim Tom Gun und Zlatko San sind viel zu schöne Pseudonyme, um sie mit Klarnamen-Journalismus zu entzaubern. Mit Schlagzeug, Bass, Effektgeräten und Stimmen entfachen Heckspoiler auf Tonträger (12 Hits, von Die Infektion bis I wundert mi) und live einen ganz wunderbaren Krach. Der mir in seiner Hardcore-Verdichtung (als Haltung, nicht als Genre) grundsätzlich offensiv nach vorne gehender Musiken und musikalischer Strategien samt ungeniert Klartext vokalisierendem oberösterreichisch-almtalerischem Dialekt doch noch um einiges näher ist als das zunehmend selbstergriffene Befindlichkeits-Gewienerl, das die Musik dieser Stadt zunehmend dominiert. Geh, bitte, blas’ dir endlich mal die betuliche Nabelschau aus dem Hirn, Musik darf nicht Kleinkunst werden!
Wenigstens bin i ka gschissene Nazi-Sau wie du!
Diesen wichtigen Satz schenken uns Heckspoiler im zweiten Lied des Albums, Ned wie du. Und, ja, DAS wird mensch doch endlich wieder sagen und singen dürfen, noch und nöcher! Hallo, «ein gesunder Körper/ein gesundes Immun-System hält das schon aus», Rechts-Eso-Schwubler_innen! Rate, womit ich dir deine wenig getarnte «Nur die Harten/Gesunden kommen durch»-Pseudo-«Natürlichkeit» am liebsten eh ganz zart ausleiten würde, samt deinem damit verbrämten fucking Freiheits/Individualitäts/Toleranz-Missverständnis? (Doch pazifistischer Langmut siegt, noch.) Unser Gespräch datiert vom 5. September 2020, geführt im Vorfeld eines Konzerts im Chelsea am Gürtel, wo Heckspoiler jetzt diesen Herbst wieder spielen. Dortselbst wird dieser Tage das 35-jährige Bestehen gefeiert, für die alte Mutter der Wiener Liveclubs eine willkommene Hoffnung, doch verstärkt besucht zu werden. In den Tagen von Corona/Covid-19. Hoffnung, die natürlich für Arena, B72, rhiz, Fluc, Kramladen, Venster, WUK und alle anderen Stätten der Live-Musikkultur dieser Stadt ebenso wichtig ist – oder für die Kapu in Linz, als Stellvertreter_in all der Live-Clubs/Venues im A-Land. «Vom Almsee rinnt die Alm aussa in die Traun, der Schlauch da ist des Almtal», streifen wir beim Plaudern mit den beiden Heckspoilern, damals 28 und 31 Jahre alt, geografische Erwachsenenbildung bezüglich ihrer Herkunft. Die damals in der Folge weitere Konzerte und einen weiteren Wien-Termin absagen mussten, weil in ihrem Umfeld Covid schlagend wurde. Was diese Geschichte auf die längere Bank schob – so gute, wichtige Musik wird dabei aber nicht schlecht.
Die Infektion brennt lichterloh alles nieder.
Musikalisch sozialisiert unter anderem in der erwähnten Kapu – Linz ist eine 35-Minuten-Autofahrt vom Almtal entfernt –, gibt’s Heckspoiler seit 2014/15. Am Anfang war die Absicht, in Richtung «Stonerband» zu gehen, «des hod uns schnö nimma gfreit». Die Musik wurde weiter und offener, dann hat man sich zum neuen Album ganz spezifisch auf die Texte konzentriert, die Mundart als die Sprache gefunden, mit der, was gesagt werden will, am besten zu sagen ist. «Wia san scho drauf komman, dass a gscheite Kraft a hod.» Dazu sitzen Wortwitz und Schmäh lockerer und tiefer(gehend) zugleich. Ähnlich wie die niederösterreichischen Franz Füxe machen Heckspoiler mit ihrer Musik die Gleichung Provinz = geistige Provinz zur Ungleichung. Haltung und Energie ihrer Musik teilen sich grenzüberschreitend nicht nur in Deutschland mit, dabei darf vor lauter Schreibe vom noisigen, offensiven Sound nicht unterschlagen werden, dass Heckspoiler auf ihre Art durchaus zugänglich, ja geradezu poppig sind, musikalische und textliche Hooklines sich catchy verschränken. Das Album stimmt dazu, nach einigen D.I.Y.-Aufnahmen/Releases, von vorne bis hinten. Wundern Sie sich daher nicht, wenn Sie in Heckspoiler eine potenzielle neue Lieblingsband entdecken! «Noch da gaunzn Wochn hackln brauchst di ned wundan, dass di nix mehr gfreit (…) Hauptsoch, du vergisst, wie dei gschissnes Leben is.»
Heckspoiler:
Synthetik Athletik
(Noise Appeal Records)
Live: 20. 11., 35 Jahre Chelsea Festival
(noch bis 25. 11. mit Clara Luzia)
heckspoiler.org