Literatur
Zum zweiten Mal in kurzer Zeit wird dem doch eher ungustiösen Johann Karl Freiherr von Sothen, Wiener Trafikantensohn, späterer Armenlotteriebtreiber, Bank-, Grund- und Schlösserlbesitzer, ein ganzer Roman zuteil. In Am Himmel (Schöffling, 2017) erzählte Anna-Elisabeth Mayer vom Prozess gegen Sothens Mörder, den entlassenen und samt Familie delogierten Förster Eduard Hüttler. In Bettina Balàkas Die Tauben von Brünn wird nun Hüttlers Schwester zur Protagonistin. Berta, die Taubenzüchterin, die gemeinsam mit ihrem Bruder durch Sothen um den Lottogewinn ihres Vaters gebracht wird, soll dem Betrüger in einem niemals liebevoll gemeinten Liebesverhältnis zur Zuarbeiterin werden: Sothen fordert, dass ihre Brieftauben ihm die richtigen Lottozahlen von Brünn nach Wien überbringen, bevor der berittene Bote die Stadt erreicht … Auch hier ein erzürnter Eduard, der seine historische Entscheidung treffen muss, und eine intelligente Berta, der – verbrieft oder nicht – ein Stück Selbstbestimmung zugestanden wird. Kompakt und kühl erzählte, höchst unterhaltsame Literatur über Wien rund ums Revolutionsjahr 1848.
Bettina Balàka:
Die Tauben von Brünn
Deuticke 2019
192 Seiten, 20,60 Euro