Marmor, Stein und Eisen bricht, aber der Betonklotz nichttun & lassen

Wo vorher Autos parkten, steht in der Hernalser Palffygasse heute ein Betonsessel. Modernes Sitzmöbel oder ironisches Statement zur Klimastadt Wien? Eine chemische Spurensuche.

Text: Christof Mackinger

«MiraMondo» klingt wie der Weitblick von einem grasbewachsenen Hügel, vermittelt das Gefühl eines frischen Lüftchens auf der Haut, des sanften Dufts einer blühenden Wiese. Tatsächlich ist MiraMondo ein Unternehmen aus Niederösterreich, das die Stadt Wien mit Sitzmöbeln versorgt. So etwa mit einer Sitzgelegenheit namens «Il Posto». Mit lieblich südländisch-benannten Artikeln wird potentiellen Kund_innen das Gefühl von Freiheit, Urbanität und Weltoffenheit vermittelt. Marketing eben.

Bäume statt Autos.

Marketing ist aber auch fast alles, was die Politik an Medien rausspielt. So auch die Meldung der Stadt Wien vom Mai 2019, dass ab sofort acht Millionen Euro zur Verfügung stünden, um die Stadt grüner und kühler zu gestalten. Marketing bedeutet nicht unbedingt, dass da was Schlechtes dran sein muss. Bäume sind fast immer gut, und die Begrünung der Stadt ist es sowieso.
So passiert in der Palffygasse im 17. Bezirk, einer Seitengasse der Hernalser Hauptstraße, die mit ihrem Betonwüstencharme wohl nur die wenigsten Herzen gewinnen kann. Genau dort hat die Bezirksverwaltung Hernals erfreulicherweise ein paar Parkplätze eingestampft, um acht Bäume zu pflanzen. Der Vorsitzende der Bezirksentwicklungskommission, Peter Jagsch von der SPÖ, und sein Vorgänger haben sich ins Zeug gelegt. Marketing heißt hier vor allem Timing: Bis zur Wienwahl im Herbst 2020 wollte man sich mit seiner begrünten Stadtpolitik auch in die Köpfe der Wähler_innen einpflanzen. Zwar sprießen die Bäume in der Umgebung von Beton und Autos noch nicht so richtig, aber es bleibt zu hoffen, dass das noch wird.

Il Klotzo.

Ein bisschen weniger grün kommen die dazugehörigen Sitzgelegenheiten daher. In zweifacher Ausführung wurde «Il Posto» in der Gasse aufgestellt, ja, man könnte fast sagen: hingeklotzt. Die Sitzgelegenheit aus dem Schotter-Bundesland Niederösterreich triumphiert eindeutig mit ihrer Robustheit. Keine Street Artists und keine Horde Vandal_innen können dem massiven Betonblock was anhaben. Vermutlich nicht mal ein extrem unpräzise gelenktes Auto beim Einparken. «Il Posto» ist nämlich ein 110 x 50 x 45 Zentimeter großer Betonblock mit einer darauf installierten Sitzfläche mit Rückenlehne aus Laminat und Stahl. Quasi unkaputtbar. Nicht ungemütlich zu sitzen, aber irgendwie absurd in seiner Erscheinung, dieser Klumpen aus Beton. Dazu kommt: Die Armlehnen täuschen Gemütlichkeit vor, sind in Wirklichkeit aber Barrieren gegen das Liegen. Nicht nur horizontales Chillen, sondern auch gemeinsames Zamrücken wird damit verunmöglicht. Letzteres müsste man aber, denn der Einzelsitz Il Posto steht ganz alleine da. Kein Gegenüber zum Tratschen, ja, nicht einmal der Aussicht wegen will man sich da hinsetzen. Es sei denn, man ist außerordentlich an parkenden Autos interessiert. Denn das ist das Einzige, was man von «Il Posto» aus sehen kann. «Mira Mondo» eher nicht.

Betonfreundschaft.

Wenn es nicht um die schöne Aussicht geht, dann bleibt nur mehr eines, nämlich das edelste unter den möglichen Motiven, die der nette Herr von der Gebietsbetreuung am Telefon vorschlug: Die beiden Klötze in der Palffygasse fungieren als Rastplatz für jene, die sich nicht so leicht tun mit dem Gehen. Das ist eine gute Sache. Aber wenn der Gebietsbetreuer findet, «dem Klimaschutz hat man mit den Bäumen ziemlich Genüge getan», muss man doch widersprechen. «Il Posto» steht zwar neben einem Baum, ist deswegen aber um nichts klimafreundlicher. Ganz im Gegenteil: Der Vollbetonsitz kommt Augustin-Berechungen zufolge auf unglaubliche 700 Kilo Beton. Mehr als eine halbe Tonne unter nur einem Hintern! Die wichtigste Zutat im Beton – Zement – ist alles andere als klimaneutral. Folgt man den Schätzungen des World Wildlife Fund, was das durchschnittliche Treibhausgaspotenzial von Zement angeht, so kommt ein «Il Posto» auf rund 90 kg CO2-Äquivalente. Die beiden in die Palffygasse geklotzten Sitze wiegen zusammen in der CO2-Bilanz den Nutzen der acht gepflanzten Zierbirnen-Bäumchen quasi auf.
Für die Hernalser Bezirksvorsteherin Ilse Pfeffer (SPÖ) waren für die Wahl der Materialien «die Nutzbarkeit sowie wirtschaftliche und ökologische Kriterien eine wichtige Entscheidungsgrundlage». Angesichts dessen, dass die Betonfreund_innen in der SPÖ gerne einen ganzen Betonschlauch durch den Nationalpark Donauauen gebaut hätten, muss man über ein paar Betonblöcke im Wohngebiet, auf denen man zumindest sitzen kann, aber fast schon froh sein.

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