Lokalmatadorin
Eva Maria Lusczak ist Hausmeisterin und leiht dem 1. Wiener Gemeindebauchor ihre Stimme. Von Uwe Mauch (Text) und Mario Lang (Foto).
Wien, Wien, nur du allein! Den Refrain des bekannten Wienerlieds singt sie am liebsten, erzählt Eva Maria Lusczak, während sie mit Schaufel, Besen und Kübel zur Arbeit ausrückt. Sie ist Hausmeisterin im Robert-Erber-Hof. Kehrt in diesem Gemeindebau zwischen Donaukanal und Prater auf den Stiegen 1 bis 3. Kümmert sich um die Anliegen der Mieter_innen von achtzig Wohnungen sowie um Ordnung auf knapp 1000 Quadratmeter Freiflächen.
Seit 32 Jahren wohnt und arbeitet die Tochter einer Hausmeisterin im Erber-Hof, der an einen Leopoldstädter Volksbildner erinnern soll. «Ich wollte um Gottes Willen nie Hausmeisterin werden», beteuert Frau Lusczak, die als Kind ihre Mutter hart arbeiten sah und öfters mithelfen musste. Nach der Schule begann sie im Büro einer Spedition im vierten Bezirk, die aber von einem Tag auf den anderen zusperren musste. Sie war damals 25, ihr erster Sohn kündigte sich an, und dort, wo sie heute noch agiert, wurde ein Hausbesorgerposten frei.
In einer Zeit, in der über die Vereinbarkeit von Familie und Beruf noch nicht viel diskutiert wurde, hat sie für sich eine Chance gesehen: «Ich konnte weiter Geld verdienen und gleichzeitig bei meinen beiden Söhnen sein.» Den zentralen Vorteil ihres Berufs erklärt sie so: «Die Arbeit muss natürlich gemacht werden, aber wann ich sie mache, das kann ich mir selbst einteilen.»
Großes Hallo, wenn Eva Maria Lusczak gesichtet wird. Ein weiteres Plus für sie: «Ich kann gut mit Menschen.» Der Zusammenhalt im Gemeindebau ihrer Kindheit hat sie geprägt: «Wir hatten sehr nette Nachbar_innen. Ihre Türen standen immer offen. Bei einigen hat meine Mutter auch privat geputzt.»
Gut erinnert sie sich etwa an die Wohnung des Herrn Abgeordneten zum Nationalrat: «Da durfte ich mitgehen und mit dem Spielzeug seiner Kinder spielen.» Und an gemeinsame Ausflüge am Wochenende: «Auf die Hohe Wand, alle waren per Du.» Im Hof hat sie mit ihrer älteren Schwester Ball gespielt oder den Ameisen eine Straße gebaut.
Die Kübel werden schwerer.
Heute ist Eva Maria Lusczak Vertreterin einer aussterbenden Spezies. Seit dem Jahr 2000 und einem Beschluss der damaligen Bundesregierung werden Hausmeister_innen, die in Pension gehen, nicht mehr nachbesetzt. Inzwischen werden sie von sogenannten Hausbetreuer_innen ersetzt. Diese wohnen nicht mehr in Hausbesorgerwohnungen, meist auch nicht mehr im selben Hof, was von vielen Mieter_innen als maximal zweitbeste Lösung bewertet wird.
Ihre Arbeit macht die 57-jährige Leopoldstädterin gewissenhaft, auch wenn sich das Schleppen der mit Wasser und Reinigungsmittel gefüllten Kübel bis hinauf in den sechsten Stock zunehmend anhängt: «Ich habe das Gefühl, die Kübel werden von Jahr zu Jahr schwerer.» Auch das Schneeschaufeln im Winter hat ihrem Körper zugesetzt, anders sind ihre Schmerzen in der Schulter schwer zu erklären. «In Kürze», sagt die Hausmeisterin tapfer, «werde ich operiert».
Eva Maria Lusczak ist aber keine, die in einer Tour jammert. Auch nicht über den vielzitierten «Neuzuzug». Ja, sie hat beobachtet, dass ihre Nachbarschaft seit ihrem Arbeitsbeginn im Jahr 1986 heterogener geworden ist. Die Heutigen im Robert-Erber-Hof kommen aus unterschiedlichen Kulturkreisen. Aber so kann man auch lebenslang voneinander lernen. Volksbildner Erber hätte gewiss nix dagegen.
Früher sei keineswegs alles besser gewesen, und es droht jetzt auch nicht der Untergang des Abendlandes: «Ich habe mit keiner Nationalität Probleme, im Gegenteil, ich habe auf meinen Stiegen eine nette Gemeinschaft. Die Leute helfen mir manchmal sogar beim Sandkehren auf dem Spielplatz.»
Wien, Wien, nur du allein! Positive Energien verleiht der Hausmeisterin auch ihr geliebtes Hobby: «Ich singe im 1. Wiener Gemeindebauchor.» Eine Wohltat für sie, denn mit der Musik ist sie aufgewachsen: «Mein Vater hat am Klavier gespielt, meine Mutter und meine Schwester haben dazu gesungen, und ich durfte auch mittun. Ich habe später auch im Schulchor und im Chor in der Kirche am Schüttel gesungen.»
Von der Existenz des Gemeindebauchors hat sie vor sieben Jahren bei einem Grätzelfest erfahren. Der Chor vereint Menschen, die im Gemeindebau wohnen und unter Anleitung eines professionellen Chorleiters gemeinsam proben und auftreten.
Die Hausmeisterin aus dem zweiten Bezirk bringt sich mit ihrer geschätzten hohen Sopranstimme ein. Neben den wunderbar prickelnden Momenten bei Konzerten erfreut sie vor allem «die schützende Gemeinschaft, die mir der Chor bietet». In ihrer Erinnerung klingt das so: «Als meine Freundin und ich zum ersten Mal zu einer Probe kamen, wurden wir sofort gut aufgenommen. Es haben sich über die Jahre echte Freundschaften entwickelt.»
Der Zusammenhalt im Chor erinnert sie an den Zusammenhalt einer guten Hausgemeinschaft: «Der Chor kann dich auffangen, wenn es dir einmal schlecht geht.»
Wien, Wien, nur du allein! Der 1. Wiener Gemeindebauchor feiert in Kürze sein zehnjähriges Bestehen – mit mehreren Veranstaltungen sowie der Veröffentlichung einer CD.