Neue Luxusgütertun & lassen

Illustration: (c) Thomas Kriebaum

Klimazone (April 2024)

as Leben mit Neugeborenem ist ein ­Leben mit viel Kaffee. Zumindest in unse­rem Haushalt ist das so. Zusätzlich zum klassischen Kaffee hat mittler­weile auch koffeinfreier bei uns Einzug gehalten. Nach unruhigen Nächten brauche ich den Geruch und Geschmack von Kaffee; dieses Versprechen von Wachheit und Konzentrationsfähigkeit. Ob dieses Versprechen eingehalten wird, ist dabei zweitrangig. Der Geschmack reicht aus, um mir für kurze Zeit das Gefühl zu geben: Ich habe mein Leben im Griff.
Die weltweite Nachfrage nach Kaffee steigt kontinuierlich. Jeden Tag werden schätzungsweise rund zwei Milliarden Tassen konsumiert. Gleichzeitig setzt die Klimaerwärmung dem ­Kaffee besonders zu. Denn Kaffeepflanzen sind anspruchsvoll und reagieren stark auf ­steigende Temperaturen und zunehmende Trockenheit. Bis 2050 könnte die momentan für den Kaffeeanbau geeignete Fläche stark zurückgehen, vor allem in den vier wichtigsten Produktionsländern Brasi­lien, Vietnam, Kolumbien und Indonesien. Besonders düster ­sehen die Prognosen für Arabica, die mit Abstand wichtigste Kaffeepflanze aus, denn sie ist sehr sensibel und braucht einen ganz speziellen Mix aus Sonne, Schatten und Niederschlag, um ihr ­typisches Aroma zu entfalten. Die Folge: Kaffee könnte zukünftig schlechter schmecken und teurer werden.
Aufgrund der Erderhitzung könnte Kaffee hierzulande zu einem Getränk werden, das man sich leisten können muss. In den Anbauländern könnten die sozioökonomischen Folgen jedoch noch viel weitreichender sein. Mehr als die Hälfte der Kaffeepflanzen wird von Kleinbäuerinnen und -bauern angebaut, die bereits heute aufgrund der Machtasymmetrie im globalen Kaffeehandel unter prekären Bedingungen wirtschaften. Kaffee anzubauen ist eine Investition, die sich erst mittelfristig lohnt, denn der Kaffeestrauch braucht drei bis vier Jahre, bis er erste Früchte trägt. Verschieben sich die Anbaugebiete in höhere Lagen, müssen die Kleinbäuerinnen und -bauern nicht nur einige Jahre ohne Ernte überbrücken, die «alten» Kaffeepflanzen haben sich oft noch nicht amortisiert. Zudem kann die Verschiebung mit erheblichen Umweltschäden einhergehen. Immerhin müssen neue Felder geschaffen und dafür unter Umständen Wälder gerodet werden. An Ort und Stelle zu bleiben und sich an die höheren Temperaturen anzupassen, ist nur möglich, wenn es Geld für Bewässerungsanlagen und neue, resistente Sorten gibt.
Das Beispiel Kaffee zeigt gut, dass wirksame und auch machbare Anpassungsmöglichkeiten nicht nur identifiziert, sondern auch finanziert werden müssen, und zwar nicht von den unmittelbar Betroffenen allein, sondern in einem globalen, solidarischen Akt. Doch genau daran krankt die globale Klima­politik derzeit. Laut UN liegen die Anpassungskosten in den Entwicklungsländern bei mehr als 200 Milliarden US-Dollar jährlich. Trotz dieses Bedarfs sind die multilateralen ­Finanzflüsse 2021 jedoch zurückgegangen, um 15 Prozent auf rund 20 Milliarden US-Dollar.
Nicht nur Kaffeesträucher, auch Kakaobäume leiden übrigens stark unter den steigenden Temperaturen. Allein das sind für mich zwei Argumente, warum sich der Kampf gegen die Erderhitzung lohnt.