Psychologische Hilfetun & lassen

Illustration: Thomas Kriebaum

Armut kränkt die Seele. Einkommensschwächere sind am stärksten von Depressionen betroffen. Ärmere sechsmal so oft wie Reichere. Das unterste Fünftel der Einkommens­bezieher:innen weist mit 18,5 Prozent den höchsten Anteil an Depressionen auf. Im obersten Fünftel ist der Anteil Betroffener mit drei Prozent am niedrigsten. Gleichzeitig sind die finanziellen Hürden einer guten Behandlung für diejenigen, die am stärksten betroffen sind, am größten. Die Kosten psychologischer Behandlung sind nach wie vor viel zu hoch für Leute mit wenig Geld. Psychologische Hilfe ist nun als gleichwertige Leistung neben ärztlicher Hilfe im Sozialversicherungsrecht verankert. Das ist ein großer Fortschritt. Die Finanzierung aber ist noch nicht geklärt. Ein Gesetz für psychologische Behandlung zu beschließen, ohne sie auch den ärmsten Patient:innen leistbar zu machen, ist wie eine Wohnung anzubieten, aber den Schlüssel dafür nicht auszuhändigen. Der Schlüssel wäre eine ordentliche Finanzierung, die den Zugang für jede:n sichert – egal ob arm oder reich. Und egal wo: im niedergelassenen Bereich, in der Primärversorgung, in regionalen integrierten Therapiezentren oder mobilen Teams.
Armut geht unter die Haut. Armutsbetroffene Kinder sind öfter krank, können schlechter einschlafen, haben öfter Bauch- oder Kopfschmerzen, häufiger depressive Verstimmungen, empfinden Schmerz viel stärker, haben einen schlechteren Start von Geburt an. In der hohen Einkommensgruppe kommen psychische Probleme bei 9,2 Prozent der Kinder und Jugendlichen vor, in Familien mit mittlerem Einkommen bei 16,2 und mit niedrigem Einkommen bei 23,2 Prozent. Die Gründe dafür sind vielschichtig: Leben am Limit macht Stress. Leben am Limit schwächt die Abwehrkräfte. Leben am Limit macht uns noch verletzbarer. Wer die Situation von Sozialhilfebezieher:innen weiter verschlechtert, Arbeitslose statt Arbeitslosigkeit bekämpft, prekäre Niedriglohnjobs fördert oder die Chancen im Bildungssystem für benachteiligte Kinder blockiert, verschlechtert die Gesundheitssituation im Land.
Psychotherapie und psychologische Behandlung sind jetzt als Leistung der Gesundheitskassa anerkannt. Leistbare kassenfinanzierte Plätze sind aber Mangelware. Der Selbstbehalt ist zu hoch. Diejenigen, die das Angebot am meisten bräuchten, sind diejenigen, die es sich am wenigsten leisten können. Der Finanzminister sollte die versprochenen Budgetmittel dafür freigeben. Angesichts der psychosozialen Probleme sind das ja nicht nur Kosten, sondern vielmehr wirksame Investitionen in die Gesundheit. Die Versorgungslücke liegt bei der Leistbarkeit, aber auch bei den langen Wartezeiten und der Mangelversorgung in ländlichen Regionen. Es geht also um kassenfinanzierte Behandlung, um bessere regionale Versorgung und um diversere Formen der Angebote wie regionale Therapiezentren oder mobile Teams. Da besteht die Herausforderung darin, «Drei in Eins» zu setzen: Erstens: Gesundheit und Soziales zusammenzudenken mit Krankenhaus, Sozialberatung, Kindergarten, Wohnsituation etc. Zweitens: multiprofessionell und fächerübergreifend zu handeln mit Ärzt:innen, Psycholog:innen, Therapeut:innen und Sozialarbeit. Drittens: sozialraumorientiert im Grätzel, im Straßenzug, in der Gemeinde zu agieren. Eben alles zu integrieren. Das wäre der Schlüssel. Sonst stehen wir vor der eigenen Wohnung, haben aber nichts in der Hand um hineinzukommen.

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