Sachbuch: Eine Jugend haben – Die Jugendarbeit in Wien bekommt ein dickes Denkmal gesetzttun & lassen

Die Dampfmaschine und die Jugend, zitiert Lothar Böhnisch, waren die wichtigsten Erfindungen der Moderne. Das Verständnis von Jugend als einer gesellschaftlich eingerichteten Phase, in der man experimentieren, sich qualifizieren, sich ausprobieren darf, ist relativ neu. Und gilt, wie wir wissen, bis heute nicht für alle Jugendlichen gleichermaßen. «Jugend ermöglichen» heißt darum ein Sammelband zur Geschichte der Jugendarbeit in Wien, den das Herausgeber_innentrio Böhnisch, Plakolm, Waechter im Auftrag der Wiener Jugendzentren konzipiert hat.Vom Wien der ersten Republik bis zum Roten Wien, von 1945 bis in die 1970er Jahre und dann ab in die Gegenwart bewegen sich die Autor_innen und Interviewten, die allesamt aus der jugendarbeiterischen Praxis oder den pädagogischen Wissenschaften kommen. Im Licht ihrer Erzählungen erscheinen selbst die eigenen Discojahre im Jugendzentrum Großfeldsiedlung plötzlich bedeutsamer Teil der Geschichtsschreibung zu werden: Dabei trieb uns damals ehrlich gesagt vor allem die Frage an, wer es schafft, den DJ abzuschleppen. Von Begriffen wie offener Jugendarbeit, Medienpädagogik und Beschäftigungsförderung hätten wir uns wohl recht wenig beeindrucken lassen.

Von Prolokindern erfährt man in dem dicken Buch, und wie sie gelernt haben, eine selbstverwaltete Jugend zu haben, von Heimbefreiungen und von den Konflikten zwischen Student_innen und Lehrlingen, von den Anfängen feministischer Mädchenarbeit und eben auch von den migrantischen Kids, die sich im autonomen Jugendzentrum «Echo» zusammengefunden haben. «Ich bin froh, dass das Ding fertig ist.», sagt Leonhard Plakolm bei der Einweihung des Ziegels in der Stadtbücherei. Die Leser_innenschaft wird’s danken.

Böhnisch / Plakolm /Waechter (Hg.): Jugend ermöglichen. Zur Geschichte der Jugendarbeit in Wien. Mandebaum Verlag 2015, 488 Seiten, 24,90 Euro

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