Schrödingers Katzetun & lassen

Illustration: Thomas Kriebaum

Speakers' Corner (28. Februar 2024)

Kennt ihr die Situation: Es ist eigentlich ein super wichtiger Feiertag für euch, den ihr mit eurer Familie verbringen wollt, aber ihr lebt in Österreich und hier ist der Tag ein stinknormaler Arbeitstag. Mir ist das letztens wieder mal zum Mondneujahr passiert, 12-stündiger Arbeitsmarathon, während mir meine Eltern in China seit in der Früh Fotos von den Familienfeiern schicken. Mein Stresslevel ist gerade so hoch, dass ich keine Zeit zum Traurigsein habe, gleichzeitig weine ich innerlich, wenn ich von Freundinnen mitbekomme, dass sie am Abend mit ihren Familien Hotpot zu Hause essen.
In solchen Momenten erinnert mich die Diaspora-Existenz irgendwie an Schrödingers Katze, man existiert zeitgleich in zwei Zuständen, mit dem Kopf angepasst an die Mehrheitsgesellschaft, der so tut, als ob alles normal wäre, während das Herz weiß, dass es eigentlich gerade blutet – bissi tot und lebendig zugleich.
Diese Mischkulanz passt vielleicht ganz gut zum gerade gestarteten Jahr des Drachen, der nach chinesischer Mythologie den Kopf eines Kamels, die Hörner eines Hirsches, den Hals einer Schlange, die Krallen eines Adlers, die Schuppen eines Karpfens und die Augen eines Hasen hat. Eigentlich wieder eine schöne Analogie zur Diaspora-Identität, setzt man all die unterschiedlichen Anteile in uns zusammen, kommt dabei ein mächtiges Wesen heraus, das ziemlich cool ist.
In diesem Sinne: Embrace your inner dragons und allen ein aufregendes Jahr des Holz-Drachens!

 

Hier schreiben abwechselnd Nadine Kegele, Grace Marta Latigo und Weina Zhao nichts als die Wahrheit