Tariel Zazadze: Wir halten zusammentun & lassen

Ich bin aus Tiflis, der Hauptstadt Geor­giens. Dort habe ich die Technische Universität abgeschlossen und 20 Jahre als Tunnelingenieur die U-Bahn geplant. Doch als die Sowjetunion zusammengebrochen ist, haben wir kein Material mehr bekommen. Es wurde immer schwieriger: ­Konflikte, Revolution – der Krieg hat alles kaputt und ­viele zu Flüchtlingen gemacht. Auch jetzt ­haben wir Angst, denn das russische Militär versucht Georgien zu kontrollieren. Man weiß nicht, was sie oben im Kreml planen. Darum habe ich 2001 hier Asyl gesucht.
Die Leute verstehen oft den Unterschied zwischen Russland und Georgien nicht. Das ist eine ganz andere Kultur, Mentalität, Geschichte. Wir haben eine eigene Sprache und Schrift. In der Schule habe ich Georgisch und Russisch gelernt und an der Universität Deutsch und Spanisch. Als ich hergekommen bin, war es für mich sehr schwierig. Die Buchstaben kannte ich, aber die Wörter hatte ich vergessen. Die ersten drei Monate war ich in der Steiermark. Es hatte minus 20 Grad und über einen Meter Schnee. Ich habe gedacht: Wo bin ich hier? In Sibirien? Ich habe 14 ­Jahre auf meine Papiere gewartet! Ohne Papiere ­konnte ich nicht arbeiten, studieren oder reisen. Jetzt habe ich Bleibe­recht ­bekommen für drei ­Jahre. Aber jetzt ist es zu spät. Ich habe viel Zeit verloren. Mit 40 ­hätte ich noch als Tunnel­ingenieur für die Wiener Linien arbeiten können. Jetzt im Pensionsalter muss ich als Augustin-Verkäufer arbeiten, aber die Gesundheit macht Probleme. Ich bekomme keine Pension oder Mindestsicherung, nur 400 Euro Grundsicherung. Für Wohnung, Strom und Gas zahle ich über 700 Euro, und alles wird teurer. Eine Gemeindewohnung bekomme ich nur mit einem unbefristeten Aufenthalt. Staatliche Hilfe gibt es einmal, aber ich muss ja weiterzahlen, morgen und übermorgen.
Aber ich bin zufrieden. Ich spaziere gern, besuche Freunde. Einige kenne ich aus der ­georgischen Kirche im 20. Bezirk. Wir treffen uns zum Austausch, um ­Geburtstage oder georgische ­Feiertage zu feiern. Viele von uns kennen sich schon seit 20 Jahren. Wir sind nicht viele georgische Leute in Wien, aber wir halten zusammen – es geht gar nicht anders. Meine Frau, ­meine Tochter und mein Enkel sind in Geor­gien. Meinem Herz geht es gut, wenn wir zusammen sind. Ich würde gern viel öfter als ein Mal im Jahr hinfahren, aber es ist zu teuer. Ich will nicht viel Geld, nur dass meine Familie, meine Freunde und ich gesund sind. Wenn es ihnen gut geht, geht es mir auch gut. Mein Wunsch ist, dass Frieden ist.

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