Madrider Bürgermeisterin schmeißt US-Ratingagentur hinaus
Die Freude über Wahlerfolge der alten oder neuen oder ganz neuen Linken, die Demokratisierungsschübe und einen Konfrontationskurs gegen neoliberale Gewohnheiten verspricht, ist unsererseits oft sehr verhalten. Schuld daran ist das Wissen um die gelungenen Domestizierungen der «ganz anderen Parteien» in den Hamsterrädern des Parlamentarismus. Die Praxis der in Volksbewegungen verwurzelten neuen Bürgermeisterinnen von Madrid und Barcelona wird zeigen, ob diese Skepsis überall im gleichen Ausmaß begründet ist. Aus Madrid jedenfalls ist Sensationelles zu vernehmen.Die Berliner Tageszeitung «Junge Welt» vom 7. Oktober informierte: Ohne großes Zaudern hat die linke Stadtverwaltung von Madrid die US-amerikanische Ratingagentur Standard & Poor’s (S&P) davongejagt. Das private gewinnorientierte Unternehmen hatte Mitte September ein Ultimatum gestellt: Für den Fall, dass die neue Bürgermeisterin Manuela Carmena vom linken Parteienbündnis «Ahora Madrid» und ihre Stadtverwaltung weiter die Rückzahlung von über 4,5 Milliarden Euro an Schulden überprüfen (und notfalls blockieren) würden, werde man die Kreditwürdigkeit der spanischen Hauptstadt auf Ramschniveau herabstufen. S&P rechtfertigte die Drohung mit «unsicheren wirtschaftlichen Perspektiven und ungeahnten negativen Effekten» für die Stadt, solange es dort keine Neuausrichtung der Wirtschaftspolitik gebe. Zugleich lobte die Agentur die «guten Ansätze» der Rotstiftpolitik der konservativen Vorgängerregierung.
Bürgermeisterin Carmena reagierte auf die Provokation aus New York energisch. Die Beurteilung durch Standard & Poor’s habe einen politischen «Beigeschmack». Die Stadt Madrid werde die im Dezember auslaufenden Verträge mit der Agentur sowie mit der Ratingagentur Fitch nicht verlängern. Unter konservativen Stadtregierungen hat Madrid den Ratingagenturen, von denen sie sich seit 2002 «beraten» lassen, mehr als eine Million Euro aus öffentlichen Töpfen für eine mehr als fragwürdige Tätigkeit verscherbelt. Die Ausgaben werden nun gestoppt, und damit auch wird ein weiteres Versprechen aus dem Wahlkampf erfüllt.