Und morgen auch für die Parkbank?tun & lassen

Jetzt müssen "SandlerInnen" auch noch Mieten fürs nächtliche Notbett zahlen

Neben den StudentInnnen, die eine neue Runde des «audimaxistischen» Aufstandes angekündigt haben, weil ihre Lage im Vergleich zum Vorjahr noch schlechter geworden ist, haben auch die SozialarbeiterInnen Wiens allen Grund, dem Sozialabbau-Regime einen heißen Herbst zu bereiten. Die für die Wohnungslosenhilfe zuständige Gesellschaft «Fonds Soziales Wien» (FSW) vom Magistrat formell ausgegliedert, aber auf Gemeindekosten agierend verlangt nämlich von Obdachlosen nun 120 Euro pro Monat für ein Notbett in einem der Nachtquartiere der FSW-«Partner».Nur noch die ersten beiden Monate können die Betroffenen gratis übernachten. Bisher war der Nulltarif selbstverständlich und unbefristet. Betroffen sind die Gestrandeten, die in folgenden Notquartieren nächtlichen Unterschlupf finden: «R3», das Frauennachtquartier des Arbeiter Samariter Bundes; «U63», das Männernachtquartier der Caritas; «Haus Hermes», das Männernachtquartier des Rotes Kreuzes; «Haus Otto», das Männernachtquartier des Roten Kreuzes; Haus Gänsbachergasse, das Frauennachtquartier der gemeindeeigenen Gesellschaft «Wieder Wohnen»; und «Haus Hermine», das Frauennachtquartier von «Wieder Wohnen». Insgesamt stellen diese Einrichtungen rund 400 Betten zur Verfügung. Caritas, Rotes Kreuz und Arbeiter Samariterbund sind vom FSW völlig überfahren worden. Die «Partner» sind endgültig Mündel geworden.

Betroffen sind nicht nur die Gestrandeten, sondern auch die SozialarbeiterInnen in den entsprechenden Notasylen. Die sehen sich in eine Exekutoren-Rolle gedrängt. Oder in die Rolle von «Polizisten ohne Knüppel», die Obdachlose im kommenden Winter auf die Straße werfen müssen, wenn die Nachtquartiermiete nicht aufzutreiben ist was wohl der Normalfall sein wird. «Verfolgungsbetreuung», so nennt man in unserem größten Nachbarland eine «Sozialarbeit», die aufgehört hat, im Interesse der Verarmten zu wirken. Und die stattdessen zu einem Instrument der Regierungen wird, die ihre Krisenschulden, in die sie durch fragwürdige Bankenhilfspakete gestürzt sind, durch Einsparungen im Sozialbereich reduzieren wollen, und zu einem Instrument der Kontrolle der sozial «Betreuten».

Noch gibt es SozialarbeiterInnen, die sich mit dem schleichenden Funktionswandel ihrer Profession nicht abfinden wollen. Eine Petition gegen die skandalösen Nächtigungsgebühren läuft an. Der geplanten Unterschriftensammlung ging eine Sammlung von Argumenten voraus. Die Zahl der Menschen, die auf der Straße übernachten, wird durch die Einführung einer Nächtigungsgebühr steigen, lautet Argument Nummer 1. Es sei anzunehmen, dass zahlreiche Menschen, die bisher das niederschwellige Angebot der Nachtnotquartiere in Anspruch genommen haben, aufgrund der finanziellen und bürokratischen Hürden von diesem Hilfssystem ausgeschlossen werden. Vor allem für Suchtkranke werde die Gebühr eine massive Barriere darstellen.

Wohnungslose Menschen, deren Einkommen etwa aufgrund ihrer Spielsucht bereits aufgebraucht ist, würden wieder verstärkt in ein Leben auf der Straße gedrängt werden.

Absurder Verwaltungsaufwand

Nachtnotquartiere sind Unterkünfte für Menschen, die sich in einer (temporären) Notlage befinden. Menschen in ihrer prekären Situation auch noch zur Kasse zu bitten, könne nur als zynisch betrachtet werden. Die zuständige Sozialstadträtin Sonja Wehsely und die FSW begründen die Einführung des Nächtigungsgeldes mit der am 1. September dieses Jahres eingeführten «Mindestsicherung», die ja 186 Euro für den monatlichen «Wohnbedarf» beinhalte. «Um Gottes Willen! Ein Schlafplatz in einem Nachtnotquartier ist doch keine Wohnung, die Nächtigung dort ist doch kein Wohnen! Es sind Unterkünfte, die bei Tagesbeginn verlassen werden müssen! Es sind Betten in Mehrbettzimmern ohne jede Privatsphäre! Von Wohnen kann keine Rede sein», ärgert sich eine Sozialarbeiterin.

Sie ersucht dringend, anonym bleiben zu dürfen. Mit dieser Bitte ist der Augustin im Einflussbereich des FSW generell konfrontiert. Die Angst, wegen Kritik der Zustände den Job zu verlieren, ist keine Paranoia. Möglichkeiten, außerhalb des vom FSW kontrollierten und finanzierten «Verfolgungsbetreuungswesens» Jobs zu finden, werden immer rarer. Der FSW wird von KritikerInnen als ein Apparat beschrieben, für den innere Demokratie systemfremd ist.

Nicht systemfremd, in dieser Logik, ist die Verschleuderung von öffentlichen Geldern. Die durch den Verwaltungsaufwand entstehenden Kosten stehen in keinem Verhältnis zum zu erwartenden finanziellen Rücklauf. Die Einhebung einer Nächtigungsgebühr kann ja nur mit massivem Personal- und Sachaufwand durchgesetzt werden. Die dadurch entstehenden Mehrkosten, so fürchten kritische SozialarbeiterInnen, werden einen wesentlichen Teil der Einnahmen verschlingen. Angesichts der überschaubaren Anzahl an Betroffenen eben derzeit ca. 400 Personen seien die zu erwartenden Nettoeinnahmen wirtschaftlich völlig zwecklos und unverhältnismäßig.

Ein kleines Rechenexempel verdeutlicht die Kälte dieser «Reform» von oben. Die Nächtigungsgebühr ist mit vier Euro pro Nacht, das ergibt 120 Euro im Monat, festgesetzt. Summiert würde sich zum Beispiel ein Preis von 600 Euro für eines der üblichen Fünfbettzimmer ergeben. 600 Euro für eine gefängnisähnliche Gemeinschaftskoje, die man noch dazu anders als im Strafvollzug tagsüber verlassen muss: Wer ernsthaft behauptet, dieser Betrag stehe in Relation zum Angebot, hat gute Chancen, im Sozialressort des Rathauses oder im Fonds Soziales Wien Karriere zu machen.

Unterschriftenliste auf http://wohnungslos.wordpress.com/