Van Gogh hat den BluesArtistin

Musikarbeiter unterwegs ... beseelt von Geist und Maschine

Als Solo-Projekt gestartet, veröffentlicht das Trio The Ghost And The Machine Ende Mai sein erstaunliches Debüt-Album.

Foto: Mario Lang

Der anstehende Wohnungs-Umzug führte es mir deutlich vor Augen, wie viel Musik ich «besitze». Sie haben keine Vorstellung davon, wie viele gerade noch friedlich in sich ruhende, oft jahrelang unberührte, ungespielte Tonträger_innen sich plötzlich in Kartons mit dem ihnen (auch) eigenen Geruch nach (anderem) Leben umverteilt sehen mussten. Für die ausführliche Wiederaufnahme ehemaliger Hör-Obsessionen ließ und lässt der enge Zeitplan dabei kaum Gelegenheit. Einzig Namensvetter Rainer Ptacek, ein leider schon 1997 in den USA verstorbener Musiker, erlebte ein kleines Revival. Die Sinne scheinen generell geschärft, in dieser Schwebe zwischen Ab- und Aufbruch, in der Mischung aus Melancholie und Euphorie zwischen Loslassen und Alles-neu-Machen, klingt nicht zuletzt Musik (wieder) anders, dringender, tröstlicher, inspirierender, schlicht «wichtiger». Vielleicht will ich aber nur dem Packen und Schleppen einen Sinn geben … Anyway, da kommen The Ghost And The Machine gerade recht, die eine regelrechte Zaubermusik spielen, eine mit viel Platz für ihre Hörer_innen und dabei dennoch sehr konkret ausformuliert. Zaubermusik eben.

Love Takes Time

The Ghost And The Machine in ihrer Duo-Konstellation Andi Lechner (Stimme, Resonator-Gitarren) und Heidi Fial (Kontrabass, Perkussion, Stimme) sind uns hier schon einmal begegnet. Vor den Hoffnungsträgern Crispies spielten sie im Fluc ein sehr gutes Konzert, eines, das den Sound der beiden, zeitlose Americana mit viel Luft und Eigenschwingung, auf die interne Weiter-im-Ohr-behalten-Liste hievte. Nach oben und mit Rufzeichen! Ins Ohr rücken sie sich nun mit ihrem ersten Album, das sie, mittlerweile mit dem Dresdner Schlagzeuger Matthias Macht zum Trio gewachsen, durch Crowdfunding ermöglicht in Eigenregie veröffentlichen und am 27. Mai in Wien vorstellen. Auf der Bühne und im Gespräch vermitteln Andi und Heidi eine große Ernsthaftigkeit, wenn es um ihre Musik geht, besser eine Bestimmtheit, einen Hang zu Details (Instrumente, Artwork …), die eben keine Details sind, sondern Teil der Ästhetik, Teil des Statements, das ihre Musik macht, machen will. Dabei sieht sich Andi Lechner, der The Ghost … 2013 als Solo-Projekt begonnen hat, nicht als Teil des westlichen Musik-Entertainments, wie Heidi Fial im Jazz geschult geht es ihm um einen Klang, einen Fluss der Musik, um Songs, um etwas, was in der Gesamtheit nicht zuletzt ihn selbst als Hörer zufrieden stellt. So wirkte das Duo auf der Bühne konzentriert, fast versunken in seiner eigenen Musik-Welt. Was das Einbeziehen eines Schlagzeugers durchaus riskant machte, schließlich neigen selbst die besten dieser Musikerspezies zu einer gewissen Lautstärke. Matthias Macht allerdings fügt sich nahezu intuitiv in die Songs und das Spiel der beiden, geht als Dritter im Bunde mit auf sinnliche Entdeckungsreise zwischen den großen Polen Blues und Jazz, wobei letzterer eher die Haltung maximaler spielerischer Freiheit markiert, einen Zugang zum Musikspielen, Musikempfinden an sich. Alle drei wissen um den Zauber von first takes, um die Energie von Momenten, was den 12 Songs trotz manch ruhigerer Stimmungslage des Ausgangsmaterials eine große, anziehende Spannung verleiht. Der wunderbare Sound tut ein Übriges, den The Ghost And The Machine mit Edgar M. Roethig im Helicopter Studio in Dresden umgesetzt haben, natürlich, warm, unmittelbar. Schon singt mensch «Love Takes Time» mit, hält inne beim Staubwischen des leergeräumten Tonträger-Regals, wirft einen Blick aus dem Fenster, denkt an … Liebe, gewesene, die lebende. Yeah! Bitte gleich noch einmal das gute Lied. Oder der «Blues For Napoleon», treibend und mit der extrem wichtigen Feststellung «can’t find a way to get along» im Text. Harmonie um jeden Preis ist nicht alles. Es wird spannend zu sehen, wo The Ghost And The Machine in der heimischen Musiklandschaft ihren Platz finden. Zu sehen, ob so viel Substanz – dabei ist dies bestimmt keine Musiker_innen-Musik! – ohne gefallsträchtige Klischees ein Publikum findet. Ob dieses (auch) Vermessen eines imaginären, welthältigen Amerikas (das steckt schon drin in diesen Liedern) etwas anders motivierte Entdeckungsreisende mit auf den geilen Trip nehmen kann, weil es dann gemeinsam einiges zu besprechen gäbe. Andi Lechner und Heidi Fial tangieren solche Fragen nur peripher, sie konzentrieren sich auf die finishing touches ihres ersten Albums. Das Artwork greift das Motiv «Nussknacker» auf und ja, über die Nuss und deren Knackgerät könnte mensch ins Assozieren kommen über diese Musik, zu dieser Musik. Allerdings – mit den Ohren und einem halbwegs aufnahmebereiten Herz/Hirn-Interface haben wir schon alles dabei, um zu ihrem reichhaltigen, nahrhaften Kern vorzustoßen.

The Ghost And The Machine: «Same» (Eigenverlag)

Live: 27. 5. Café Tachles

the-ghost-and-the-machine.com