Alex

Von Freiheit und Lebensträumen

Ich verkaufe den AUGUSTIN seit drei Jahren. Vorher habe ich woanders gearbeitet, und davor war ich im Gefängnis. 1999 war ich bei einer Demonstration wegen Markus Omofuma beteiligt – ein Afrikaner, den die Polizei umgebracht hat. Ich habe damals in einem Asylheim gewohnt, bei Ute Bock. Auf einmal kommt die Polizei und hat eine Razzia gemacht. Sie haben Razzien in allen Bundesländern Österreichs gemacht und viele Afrikaner ins Gefängnis gebracht, da wir die Demonstration für Omofuma veranstaltet haben. Die Polizei behauptete, ich habe die Demonstration organisiert, sie sagten, wir seien Drogendealer und so weiter. (Anm.: Nach den Protesten wegen des Todes von Markus Omofuma wurden 1999 und 2000 rund 100 Afrikaner_innen verhaftet, die meisten kamen ins Gefängnis. Die Rechtmäßigkeit der als Operation Spring bekannten Aktion wurde von Rechtsexpertinnen stark bezweifelt.) Wir wurden verhaftet und viele kamen ins Gefängnis. Ich habe gedacht, sie machen Spaß, als sie mir Fragen gestellt haben. Ich habe gelacht, und gedacht, was redet ihr? Das war unglaublich für mich. Ich konnte nicht verstehen, was sie mir vorgeworfen haben. Sie sagten, ich sei von der Mafia, ich sei ein Boss. Für mich war das komisch, ich fragte: Was für ein Boss? Ich wohne in einem Asylheim! Das Problem für sie war aber, dass wir wegen Omofuma demonstriert haben. Das ist unmenschlich. Das Gefängnis ist generell kein gutes System. Viele junge Leute werden dort kaputtgemacht.
Ich und viele andere wurden damals eingesperrt. Aber als ich entlassen wurde, wartete die Polizei vor den Toren auf mich und sagte, ich muss mitgehen. Ich fragte, warum ich mitgehen soll, ich sei doch jetzt frei. Aber sie nahmen mich mit. Es waren große Schmerzen für mich, ich hatte noch keine Freiheit gehabt. Sie sagten, ich habe kein Recht, hier zu bleiben, und brachten mich in Schubhaft. Sie konnten mich dann doch nicht nach Nigeria bringen. Es gibt Probleme in meinem Land. Ich bin Asylant hier. Die Polizei hat mir meine Dokumente und meinen Ausweis nicht zurückgegeben. Bis heute habe ich nichts zurückbekommen. Das kann ich nicht verstehen. Andere haben ihre Papiere und ihren Ausweis bekommen, ich nicht.
Seit 1996 bin ich in Österreich. Beim AUGUSTIN geht es mir gut, mein Leben geht weiter. Ich verkaufe die Zeitung, viele gute Leute sind auf meiner Seite, sie unterstützen mich. Ich bekomme auch Hilfe von der Caritas.
Aber es ist schmerzhaft, dass ich meine Papiere nicht bekomme. Sie spielen mit meinem Leben. Ich möchte normal arbeiten, so wie andere. Dann könnte ich planen für meine Zukunft und Kinder haben. Aber wie soll ich das machen ohne Arbeit?
Nach meiner Entlassung habe ich mit einigen Künstlern zusammengearbeitet. Wir haben zum Beispiel etwas in der Wäscherei (Anm.: Lokal in Wien) gemacht. Aber ich habe im Moment keine Zeit für so etwas. Ich verkaufe die Zeitung und gehe in die Kirche. Und ich wünsche mir, dass ich meine Papiere zurückbekomme, das ist sehr wichtig. Dann möchte ich gerne eine Familie mit vielen Kindern haben. Das wünsche ich mir am meisten.

Protokoll: Ruth Weismann

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