Von situationselastischen Polizeimethoden & der periodischen AnkreuzerldemokratieArtistin

Wie viel Satire hält ein Polit- und Polizeikrimi aus?

Inspektor Zwezler und sein kongenialer Partner Moik lösen in der Zeitung «MALMOE» seit fünf Jahren Fälle. In denen wird mit lakonischem Augenzwinkern auf tagespolitische Ereignisse und fragwürdige polizeiliche Verstrickungen angespielt.  Jetzt sind die gesammelten Kurzkrimis der «Real Crime Inc.» als Buch erschienen. Eva Schörkhuber hat mit den Autor_innen da­rüber gesprochen, ob und wie Satire in Zeiten von CETA-befürwortenden sozialdemokratischen Bundeskanzlern und nicht-haftenden Briefwahlkuverts noch möglich ist.

In einer Episode führen Zwezler und Moik ein Gespräch darüber, was Satire darf und was nicht. Zwezler kommt dabei zu dem orakelhaften Schluss: «Ich meine, sie darf grundsätzlich alles in der Dis­tanz, und je näher sie kommt, desto weniger soll sie dürfen. Denn die Satire lebt ja von der Überzeichnung.» – Nun schreibt ihr eure Krimis aus recht geringer zeitlicher und räumlicher Distanz: Was würdet ihr dem Moik antworten?

Dem Moik würden wir sagen: Pass mal auf, Moik, als Satiriker müssen wir schauen, dass die Satire trifft. Also auf die richtige Stelle hinzeigen, sie entkleiden oder ihr etwas Seltsames überziehen. Wir sollten das mit einer feinen Klinge, also behutsam machen, oder aber mit diesem quietschenden Clownhammer hindreschen. Satire verstehen wir als eine Form der Herrschaftskritik. Und je näher sie dran ist, desto mehr Wirkung kann sie erzielen. Satire über Trump und Clinton kann zwar lustig sein, aber wir machen ja kein Kasperltheater oder Comedy. Diese Trumps und Clintons gibt’s ja hier auch.

Und was würdet ihr denjenigen sagen, die behaupten, Satire sei heute nicht mehr möglich, die Wirklichkeit hole eine_n schneller ein, als eine_r die Feder zücken könne? Stichwort: Bundespräsidentenwahl oder die Fallhöhen der Sozialdemokratie. Beides habt ihr ja in euer Buch eingebaut. Da gibt es zum einen den Eisenbahnkanzler und die Schnattermary …

Das Komische an der Politik ist ja meist, dass sie etwas Widersinniges und Beängstigendes hat. Und dass die Figuren, die auf diesem Parkett auftauchen, recht grotesk wirken. Auch wenn es noch so deppert erscheint und gerade weil es so deppert erscheint, ist es hilfreich zu wissen, wofür man selbst einsteht. Aus dieser Position ist Satire möglich. Für uns ist es die Kritik an autoritären Strukturen und Personen, an diesen rassistischen und chauvinistischen Reflexen, die allerorts auftauchen und dieses Land so gefährlich machen.

Zum anderen wird auch der allgemeine Zustand der Demokratie in diesem Land aus nächster Nähe und dementsprechend wirkungsvoll betrachtet.

Also der formale Zustand ist ja blendend, auch dank der letzten Entscheidung des Verfassungsgerichtshofs, aber der inhaltliche … oder sagen wir so: Es verwundert ja, dass bei Demokratie viele nur an dieses periodische Ankreuzerln denken und nicht daran, dass es um Mitbestimmung und vor allem um die Gestaltung sämtlicher Lebensbereiche geht. Das betrifft auch Bereiche wie Verwaltung, Arbeitsplatz, Universitäten, Schulen usw. Diese repräsentative Demokratie ist ansonsten die adäquate liberale Herrschaftsform unter der Dominanz des Wirtschaftsliberalismus. Die ist für die meisten Menschen nicht angenehm und auch der ökologischen Verfassung der Erde nicht gerade zuträglich.

Euer Buch trägt den Titel «Auf nach Europa!» – der selbst schon, im Hinblick auf den sogenannten Brexit und die daran anknüpfenden -exit-Diskussionen satirisch erscheint.

Es gibt zumal einen konzeptionellen Grund. Wir wollten die beiden Figuren auf eine Reise schicken und in diese Reise die Kurzgeschichten als Episoden einflechten. Und dann natürlich, weil das wesentliche politisch-ökonomische Geschehen auf der Ebene der Europäischen Union ausverhandelt wird. Dort spielt die Musik, auch wenn Deutschland die Noten vorgibt und provinzielle Blaskapellen auf traditionelle Melodien bestehen.

Auf ihrem Weg nach Europa treffen Zwezler und Moik auf andere Kolleg_innen aus der Branche, auf Beamt_innen aus Deutschland, Italien und Frankreich. Dabei werden unterschiedliche Polizei-Kulturen sichtbar.

Zwezler und Moik sind der festen Überzeugung, dass sich die österreichische Polizei in diesem Land, in dem es vor kriminellen Vereinigungen und subversiven Extremist_innen nur so wimmelt, eine für ganz Europa beispielgebende Expertise erarbeitet hat. Dieses «That’s how we game in Austria», also der kreativ-situationselastische Umgang mit Exekutivmethoden, wird aber von den Kolleg_innen immer wieder verniedlicht oder durch den Kakao gezogen. Der karrieregeile deutsche Kollege Herkner und der traditionsbewusste Franzose M. Gardetous bieten beispielsweise viel Konfliktpotenzial. Oft ist es dann der väterliche Inspektor Zwezler, der auf eine – entschuldigt bitte den Ausdruck – liebenswerte Weise die europäischen Kolleg_innen auf das Gemeinsame ihrer Arbeit und Mission hinweist und versöhnlich deeskaliert.

Im Gegensatz zu ihrem Kollegen aus der Abteilung Rechtsextremismus, der, so konstatiert Moik, nach der Verhaftung von Gottfried Küssel nun wirklich nichts mehr zu tun habe, sind Inspektor Zwezler und Moik vielbeschäftigte Beamte. Das liegt an den scheinbar so zahlreichen kriminellen Vereinigungen und subversiven Extremist_innen. Dabei stoßen sie immer wieder an die Grenzen traditioneller Ermittlungsmethoden, weshalb sie sich neuer, alternativer Methoden bedienen – frei nach Zwezlers Motto: «… die Verdachtswahrheit in einer gefälschten Wirklichkeit he­rauszuhören. Unsere Stärke liegt in dem Glauben an unsere Interpretation.» Wie macht ihr aus diesen, aus rechtsstaatlicher Sicht sehr bedenklichen, Fällen – keine klaren Beweislagen, willkürliche Anwendung der Terror- und Bandenkriminalitätsparagrafen usw. – Satire?

Immer wieder hinzeigen, den Finger drauflegen. Die Menschen darüber lachen lassen. Eine Form des Auslachens provozieren. Zeigen, dass staatliche Institutionen nicht einfach an Gerechtigkeit interessiert sind. Das sind keine Wohltätigkeitsvereine. Da gibt es verschiedene politische Interessen. Wir verweisen im Buch auch auf die Strategie der Spannung in Italien, wo staatliche und parastaatliche Organisationen Bombenanschläge mit Dutzenden Toten verübten und diese der radikalen Linken in die Schuhe schoben. Das ist natürlich ein Extrembeispiel.

In Österreich war es bis jetzt nicht ganz so dramatisch, aber diese ganzen Verfahren wie Operation Spring, Tierschutzprozess oder der Schlepper-Prozess gegen Refugee-Aktivist_innen sind eine Farce. Hier geht’s um staatlich motivierte Repression gegen politisch aktive Menschen. Und da hat man es als Rechtsextremist_in eben einfacher in Österreich. Das zu zeigen, das ist auch eine Aufgabe von Satire.

 

Auf nach Europa!

bahoe books 2016,

110 Seiten, 12 Euro

Lesung: 16. Dezember

19 Uhr

Buchhandlung im

Stuwerviertel

Stuwerstr. 42, 1020 Wien