Die «Vaterländischen Blätter» gaben 1809 eine eindeutige Antwort
Krawallblätter voller Menschenverachtung und Vaterländerei kennzeichnen bis heute die österreichische Zeitungslandschaft, und was in der Gegenwart Sportbegeisterung und Rassismus leisten, besorgte einst die Berichterstattung von den zahlreichen Kriegen, in die habsburgische Politik ihre Untertan_innen schickte.
Eine besonders reizende Perle dieser Art lieferten im Kriegsjahr 1809 die Vaterländischen Blätter für den österreichischen Kaiserstaat. Selbsterklärtes Ziel dieser ein Jahr zuvor von Gnaden Metternichs gegründeten Zeitung war es, «die Bewohner der k. k. Erbstaaten mit sich selbst näher bekannt» zu machen und «Vaterlandsliebe durch Vaterlandskunde» befördern, was durch oft recht unverfängliche Themen geschehen sollte, Berichte über den Safrananbau in Niederösterreich etwa, Fabriksanstalten in Steyr, ein Schutzpockenfest in Brünn (Brno) oder Statistiken über den Bevölkerungsstand in ausgewählten Städten und Provinzen der Monarchie.
Wenn es aber sein musste, konnten die Vaterländischen Blätter auch rabiat werden, dann zum Beispiel, wenn sie von der aufsehenerregenden Tat des Georg K. berichteten: Bei diesem handelte es sich um einen Schuster und vierfachen Vater aus Neustift bei Wien, der sich gleich nach Kriegsbeginn freiwillig zum Kampf gegen das napoleonische Heer bei einem Landwehrbataillon gemeldet hatte und mit diesem auch ausgezogen war, anschließend jedoch wieder nach Wien zurückgeschickt wurde, um dort gemeinsam mit anderen Landwehrmännern für ein anderes Bataillon zu werben.
Der besorgte Landwehrmann fürchtete nun seine gänzliche Entlassung, «wurde düster, ängstlich, melancholisch», «ergriff nach einer bangen Nacht (…) sein Gewehr, begab sich auf den Boden seiner Wohnung, und jagte sich eine Kugel durch den Kopf». «Sein ganzes Gesicht, alle Knochen, alle Muskeln sind zerrissen.»
An die Adresse der «Moralisten» – so wurden Anfang des 19. Jahrhunderts jene tituliert, die heute als «Gutmenschen» diffamiert werden –, die diesen Selbstmord nach ihren Ansichten «richten» würden, richtete der anonyme Schreiber seine eigene Moral, die nämlich, dass «selbst Menschen aus den untern Volksklassen (…) hohe Begriffe (…) von der Ehre haben, zu dem schönen und großen Bunde der Vaterlandsvertheidiger zu gehören.»
Der Titel der Artikelserie, in der dieser Selbstmord Erwähnung fand, lautete: «Charakterzüge österreichischer Patrioten»; Fazit der kolportierten Geschichte: Österreichischer Patriot ist, wer sich eine Kugel in den Kopf schießt.
Quelle: Vaterländische Blätter, 14./17. März 1809, S. 137 f., über das Online-Archiv der Österreichischen Nationalbibliothek abrufbar