Was wir tun und sein könnentun & lassen

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Samstagnachmittag im Treffpunkt der Kontaktstelle für Alleinerziehende. Gut zwanzig Frauen kommen hier monatlich zu einem Austausch zusammen. Als Thema steht heute die Frage nach dem guten Leben auf dem Programm. Für Maria zum Beispiel gehören gute Bus- und Bahnverbindungen unbedingt dazu, weil sie sonst nicht mobil genug wäre und kaum mehr Freiräume hätte. Anna kann sich ein gutes Leben nicht ohne Musik und Kerzen vorstellen, Susanne fallen zu allererst Bücher ein, die sie braucht, «damit die Welt größer wird». Margot ist ein Platz zum Wohlfühlen besonders wichtig, Irene weist auf die Leichtigkeit hin, für Martina sind sinnvolle Arbeit und gerechter Lohn unverzichtbar. Schnell wird klar, dass es mit einer Sache meist nicht getan ist und dass zu einem guten Leben vielerlei und Unterschiedliches gehören.Das sehen auch Theorien zum guten Leben so, wie etwa das von der Philosophin Martha Nussbaum und dem Ökonomen und Nobelpreisträger Amartya Sen entwickelte Konzept der «Verwirklichungschancen». Ausgehend von der Frage, was Menschen zum Leben brauchen, damit dieses zu Recht ein gutes Leben genannt werden kann, hat Nussbaum begonnen, eine Liste von Kriterien zu entwickeln, die als Maßstab für Lebensqualität an vielen Orten der Welt angewendet werden kann. Dabei geht es nicht nur um die Verteilung von Geld, Grund, Boden und Ämtern, sondern vor allem auch um Fähigkeiten und Tätigkeiten, die dieses gute menschliche Leben ausmachen. Die von Nussbaum vorgelegte Liste ist von «irreduzibler Pluralität», was bedeutet, dass das Fehlen einer Komponente nicht durch ein «Mehr» einer anderen Komponente wettgemacht werden kann. Weil Bildung, Essen, Gesundheitsversorgung, Teilhabe gerade in ihrer Kombination wichtig sind und Deals à la «Ihr bekommt mehr zu essen, dafür gibt es keine Redefreiheit» nicht dem guten Leben dienen. Es sind «kombinierte Fähigkeiten».
Zentraler Punkt des Ansatzes sind die Verwirklichungschancen. Entscheidend dabei ist sowohl die Frage, wie viele Ressourcen zur Verfügung stehen, als auch die Frage, was Menschen tun und sein können. Denn nur dann werden aus Gütern Freiheiten und können Ressourcen dem guten Leben zum Durchbruch verhelfen; eben nur dann, wenn Menschen auch in der Lage sind, diese entsprechend zu nutzen. Zum guten Leben gehören nicht nur Gesundheit und physische Integrität, sondern auch Sinne, Vorstellungskraft und Gedanken, die Fähigkeit, Gefühle auszudrücken und zu empfinden, in der Lage zu sein, gute Beziehungen zu pflegen zu anderen Menschen, aber auch zur Natur , den eigenen Lebenskontext mitgestalten zu können, Möglichkeiten und Anlässe zum Lachen, Spielen und zum Entspannen zu haben. Es geht nicht nur darum, was Menschen haben, sondern immer auch, was sie tun und sein können.

Tipp: Es reicht! Für alle! Wege aus der Armut. Deuticke.