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Musikarbeiter unterwegs ...mit dem Nowhere Train durch Österreich

MuArb.jpgEin Autor, zwei Filmemacher und fünf Musiker fahren mit dem Nowhere Train von Wien aus durchs Land. Ein Experiment.

Die letzte Großtat der Londoner Band Clash war eine Busking-Tour ihrer letzten Besetzung durch das Vereinigte Königreich, bevor das inferiore Album Cut The Crap (1985) erschien. Als Straßenmusiker spielten sie Clash-Gassenhauer und Cover-Versionen, waren per Autostopp unterwegs und schliefen bei ihren Fans auf dem Boden. Joe Strummer besinnte sich so noch einmal seines früheren Spitznamens Woody, auf den Spuren seines Idols Woody Guthrie. Jener hatte in seinem phantastischen Buch Bound For Glory seine Reisen als Hobo durch die USA der großen Depression dokumentiert, eine so poetische wie akkurate Vermessung eines anderen Amerikas.

Jakob Kubizek, Musiker und Teil der jungen Filmfirma Jenseide Produktion hatte die Idee, die sich in solche Traditionen einfügt, ohne sich konkret auf sie zu beziehen. Acht like minded people verschieben den üblichen Kontext ihrer künstlerischen Ausdrucksmittel und fahren von Wien aus mit dem Zug vom 17. bis 28. Mai durch Österreich. Nicht wirklich ins völlig Ungewisse, als eine Art Grundsicherung für die Reise- und Lebenserhaltungskosten gibt es den einen oder anderen konventionellen Auftritt. Etwa beim Seewiesenfest im oberösterreichischen Weyer, wobei aber zuvor am Marktplatz aufgespielt wird. Peter Sihorsch und Clemens Haslinger, Kubizeks Jenseide-Partner, filmen. Hosea Ratschiller, als Kabarettist und FM4-Ombudsmann bekannt, wird über die Reise auf der Homepage des Radiosenders berichten, Eindrücke und Erfahrungen in einer Kurzgeschichte festhalten.

Bound For Glory?

Tatsächlich herrscht an den zusammengeschobenen Tischen vor dem Café Jelinek eine spürbare Aufbruchsstimmung, die Musiker diskutieren zu spielende Songs, mögliche Coverversionen und das Instrumentarium, das es im Zug zu transportieren gilt. Die Musiker sind Stefan Deisenberger von Naked Lunch, der mit Jakob Kubizek als Love & Fist firmiert (Debüt-Album im Herbst), Ian Fisher aus St. Louis, Missouri, ein hervorragender Songwriter, der noch bis August in Wien studiert, Frenk Lebel, einst Hälfte des ambitionierten Pop-Duos Play The Tracks Of sowie Stephan Stanzel, Sänger und Mastermind von A Life, A Song, A Cigarette. FM4 ruft an und fragt nach einem Untertitel, der umgehend gesucht und diskutiert wird. Bei Kaffee und später ersten Bieren wird entdeckt, dass der Termin im Linzer Volksgarten auf das Champions-League-Finale fällt, was wohl eine anwesende Semi-Semi-Semi-Öffentlichkeit bedingen wird. Vielversprechender wenn denn das Wetter mitspielt die Aussicht, in einem Freibad in Seekirchen im Salzburgischen zu den Gitarren zu greifen. Spannend, wie denn das unangemeldete akustische Bemerkbarmachen im öffentlichen Raum der Mozartstadt Salzburg aufgenommen werden wird. Oder wie die Insassen der Justizanstalt Garsten (OÖ.) auf die Indie- und Songwriter-Sensibilitäten der jungen Männer reagieren werden. Die Beteiligten beeilen sich zu sagen, dass es keinen besonderen Grund gebe, dass Vorarlberg als einziges Bundesland nicht angefahren wird, habe sich leider so ergeben.

Prätentiöse kunstsinnige Getriebenheit von wegen Film ohne Drehbuch und Poesie der Momente könnte man ja leicht sehr gscheit im Subventionsansuchen-Deutsch daherreden wird gleich gar nicht vorgetäuscht. Wir müssen das nicht machen, wir wollen das machen, sagt Hosea, Frenk Lebel spricht flankierend von einer Qualitätszeit, die man gemeinsam erleben wird. Schön der Gedanke, das gern gewählte Einigeln, Kasernieren zwecks Inspiration und künstlerischem Prozess umzudrehen, den Ideen sozusagen entgegenfahren.

Das gewählte Modell als die Alternative zum eingefahrenen Neuer-Release-Clubtour-Kreislauf zu behaupten, liegt der Reisegruppe fern, es geht viel eher darum, eine Parallel-Route zu befahren. Die schon einige Herausforderungen bietet. Auch abseits von Rock’n’Roll-Exzess-Klischees möchte man Mäuschen sein, wenn acht Menschen gleichzeitig die mitunter eigenwilligen Zugverbindungen der ÖBB einzuhalten versuchen, mit nur den notwendigsten Lebens- und Arbeitsinstrumenten dabei sicher ganz schön bepackt.

Unvergessen von Musikarbeiter-Seite das Erlebnis, die mit dem Zug und Backline reisenden Marc Olson und Victoria Williams samt Band vom Westbahnhof mit zwei störrischen Taxifahrern zum Chelsea zu bugsieren. Je näher der tatsächliche Aufbruch des Nowhere Train rückt, desto mehr haben sich die acht Protagonisten von allfälligen Regeln verabschiedet, die in der Entstehungsphase heftig diskutiert wurden. Mangels bislang erfolgter Subventionen oder Zusagen solcher greifen die Beteiligten unterwegs in die eigenen Taschen, vorrangig ist der Wunsch, einen anderen Blick auf dieses Land, ein anderes Erfahren dieses Landes in einem Film festzuhalten, in einer Geschichte und vielleicht in neuen Songs, die unterwegs entstehen. Wir wünschen gute Fahrt!

 

Info:

Nowhere Train live:

Do, 28. Mai, 21 Uhr Konzert im Schaufenster im Rahmen von SOHO in Ottakring

www.jenseide.com