Sachbuch: bezahlte und unbezahlte Pflegearbeit
«Von traditionellen Rollenmustern (…) halten die beiden nichts. Auch nicht bei der Hausarbeit, die lagern sie teilweise an eine Reinigungskraft aus.» In ihrem Beitrag Wir bleiben zuhause zitieren Jelena Gučanin und Christian Berger ein österreichisches Paar, das sich die Elternkarenz teilt. Die Erzählung: Wenn Männer sich um Kinder und Haushalt kümmern, bricht die Welt nicht zusammen; eventuell wird sie sogar besser. Subtext: Dass in Rumänien oder der Slowakei wirtschaftliche Perspektiven fehlen, spielt Ländern wie Österreich in die Hände. Der mangelhafte Arbeitsmarkt jenseits der Grenze sorgt diesseits für billige Arbeitskräfte.
Rund 63.000 24-Stunden-Betreuerinnen sind in Österreich tätig, stellen die Autor_innen des Sammelbandes Wen kümmert’s? Die (un-)sichtbare Sorgearbeit in der Gesellschaft fest. Sie arbeiten hart, verdienen wenig, haben Mühe, ihr Arbeitsrecht durchzusetzen, sind von Vermittlungsagenturen abhängig und gewerkschaftlich schlecht vertreten. Was Personenbetreuer_innen verdienen, wer die Carearbeit in ihren eigenen Familien macht, wie sich Paare in Rumänien oder Österreich Pflege- und Erwerbsarbeit aufteilen und was Väterkarenz mit Männlichkeit zu tun hat – all das wird in Wen kümmert’s? verhandelt. Benjamin Breitegger, Sibylle Hamann, Manuela Tomic u. v. a. bereiten mit ihren journalistischen Grundlagentexten den Boden für eine gesellschaftliche und gewerkschaftliche Diskussion über den ganzen Pflegebereich. Wunderlich mutet da nur das Vorwort des ÖGB-Präsidenten Wolfgang Katzian an, der den Papamonat als Errungenschaft abfeiert und von den Defiziten der gewerkschaftlichen Organisierung in der Pflege vornehm schweigt. Dabei wird es nur durch die organisierte Kraft der Arbeitenden selbst gelingen, Löhne und Arbeitsbedingungen in der Pflegearbeit maßgeblich zu verbessern. So maßgeblich, dass auch österreichische Paare zweimal darüber nachdenken müssen, ob sie ihre Wohnung selber putzen oder putzen lassen.
Elisa Tomaselli (Hg):
Wen kümmert’s?
Die (un-)sichtbare Sorgearbeit
in der Gesellschaft
ÖGB-Verlag 2019
172 Seiten, 19,90 Euro