«Wie reingewaschen»vorstadt

Christian Steyer ist begeisterter Schwimmer und freiwilliger Helfer im Schwimmverband.

TEXT: UWE MAUCH
FOTO: MARIO LANG

Wenn erst die eine Hand und dann die andere vor seinem Kopf ins Wasser taucht, wenn beide Arme kraulen und Rücken- und Gesäßmuskeln anspannen, wenn ihn zusätzlich die gleichmäßig pendelnden Füße antreiben, wenn er wie ein Brett geradewegs nach vorne gleitet, wenn ihn also das Wasser trägt, dann ist er in seinem Element.
Und dann spielt es auch keine Rolle, ob er bei einem Wettkampf in seiner Altersklasse auf einer Bahn schwimmt oder so wie heute an der Alten Donau sitzt und über seine große Leidenschaft erzählt.

Auftrieb.

«Schwimmen ist für mich ein Lebenselexier wie Essen und Trinken», sagt ­Christian Steyer. Seit 45 Jahren krault er für sein ­Leben gern – und kann das auch gut begründen: «Wenn ich ins Becken springe, perlen alle Sorgen von mir ab, und nach jedem Training fühle ich mich wie reingewaschen.»
Der auffallend fitte Manager der Austrian Airlines nimmt in seiner aktuellen Altersklasse, 55 plus, weiterhin an den Masters-Schwimmmeisterschaften teil. Zudem hilft er in seiner Freizeit beim Österreichischen Schwimmverband (OSV) regelmäßig aus. Verglichen mit dem Österreichischen Skiverband (ÖSV) hat die Organisation ohne Ö-Stricherl weder Macht noch Mittel.
Christian Steyer redet lieber über die Trainings- und Gesundheitseffekte regelmäßiger Schwimmbewegungen: «Im Wasser aktiviere ich jeden Muskel, vom Nacken bis zu den ­Füßen. Dank des Auftriebs werden die Gelenke geschont und die Wirbel auseinandergezogen. Das Schwimmen stärkt mein Immunsystem, kurbelt den Stoffwechsel an, ist gut für die ­Koordination im Gehirn und verzögert den Muskelabbau. ­Alles bei geringem Verletzungsrisiko.»
Mit Gleichaltrigen trainiert er an mindestens zwei Abenden pro Woche im Hietzinger Hallenbad. In manchen Trainigsphasen sind dort 160 Beckenlängen (25 Meter) binnen 90 Minuten nicht der Rede wert. Sein Verein fischt indes mit seinem Namen nach Komplimenten: «Wir sind die Vienna Oldies.»

Aufstieg.

Mit dem Schwimmen begonnen hat das Kind einer klassischen Favoritner Gemein­debaufamilie «mit elf». Ermöglicht hat das ­seine Mutter: «Ich habe sie genervt, wollte ­unbedingt einen Sport ausüben. Als ich ihr erst Boxen vorschlug und wenig später durch die Küche tänzelte und von Ballett sprach, ­meldete sie mich kurzerhand beim Schwimmverein im Amalienbad an.»
Badehose, Handtuch, mehr brauchte er nicht, die Schwimmkappe sponserte der ASV Wien – ein notwendiger Hinweis: «Ich habe zwei jüngere Brüder, es war nicht viel Geld da.»
Die regelmäßigen Trainings und sozialen Kontakte mit anderen Kindern, sein Leistung einfordernder Trainer, «das Eis vom ­Tichy nach dem Schwimmen», nicht zuletzt die Einzel­sportart, die seiner Charakterstruktur entgegenkommt, hätten ihn angetrieben. Zum letzten Punkt sagt Christian Steyer ­heute: «Du schwimmst gegen die Uhr, und die ist unbestechlich.»
Zusätzlichen Auftrieb gaben ihm erste ­Erfolge bei Wiener Kinder- und dann österreichischen Meisterschaften. Während seiner Zeit als Gymnasiast radelte er um halb sechs Uhr in der Früh von der Hansson-Siedlung zum Training ins Laaerbergbad und von dort ­weiter in die Schule. Am Abend schwamm er in der Südstadt.
Nach der Matura entschied er sich gegen den Leistungssport («Ich war zu weit weg von den Limits für den Start bei Welt- oder Europa­meisterschaften») und für einen bürger­lichen Beruf. Als Fliegen und Fluggesellschaften noch als uneingeschränkt attraktiv galten, stieg er bei der AUA ein und landete dort mit der Zeit ­berufliche Erfolge: Vom Mitarbeiter am Check-in-Schalter stieg der Maturant stetig auf. Heute sind sein Team und er für Kooperationen mit anderen Airlines sowie mit den ÖBB verantwortlich.

Auftrag.

Und wenn er nicht arbeitet und nicht schwimmt, dann hilft Christian Steyer seinem geliebten Sport ehrenamtlich. Jede freie ­Minute opfert er als Mitglied des Vorstands für den Schwimmverband, wo er die Sparte Masters-Schwimmen koordiniert.
Auf die oft gestellte Frage, warum er sich das alles antut, antwortet er so: «Ich habe als junger Sportler viel Unterstützung und Zuwendung bekommen, ich möchte heute etwas zurückgeben.»
Bei der Masters-EM im Sommer in Rom ­holte Christian Steyer in der 4×50-Meter-­Lagen-Staffel mit drei Freunden die Bronzemedaille. Derzeit engagiert er sich für eine neue euro­päische Bewegung, die «Lifelong Swimming» als aktive Gesundheitsförderung propagiert. Es gibt wohl kein besseres Argument dort mitzuschwimmen als diesen Lokalmatador.

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