Augustin 282 - 09/2010
Nimm drei und zahl die Hälfte
Ich vertraue dem Verantwortlichen der beiden Magazinseiten des Kulturteils im Augustin. Als mein Kollege also die Tirana-Ausstellung im Ringturm-Erdgeschoß (ging am 17. September zu Ende) empfahl, schrieb ich umgehend «Tirana!» in einen der seltenen terminarmen Oasen meines Kalenders. Ich ging dann wirklich hin. Mich störte, dass den vielen Fotos kaum erklärende Texte beigefügt waren. Es war eine der Ausstellungen, die wie dazu gemacht erscheinen, den Katalogverkauf anzukurbeln.Der Katalog wurde mir von der Dame an der Kassa um 25 Euro angeboten. Die Frau erkannte, dass ich auch auf Kataloge vergangener Ringturm-Architekturausstellungen liebäugelnde Blicke warf, und informierte mich, diese Kataloge seien schon um je zehn Euro zu haben, weil das Vergangene ja nicht mehr so viel wert sei. Innerlich ließ ich diese Begründung nicht zu, weil das Thema der betreffenden Ausstellungen, die Avantgarde-Architektur in Kroatien und das bauliche Erbe der Republik Slowenien, ja nicht obsolet geworden sein konnte; die beiden Kataloge waren keineswegs zu einem Friedhof überholter Informationen geworden.
Ich zahlte also 45 Euro und begann, die drei Kataloge 25 plus zehn plus zehn Euro in meinem Rucksack zu verstauen. Da erhob die Eintrittsfrau einen Einwand: Wer drei Kataloge nimmt, zahlt nur die Hälfte. Mein Staunen war so groß, dass mir im ersten Moment Überlegungen mathematischer Natur im Ansatz stecken blieben, als die Dame 22,50 Euro verlangte. Ich wollte schon sagen, dass es sich um einen Irrtum handeln müsse, denn drei Kataloge können nach sämtlichen bekannten und unbekannten Verkaufsphilosophien nicht billiger angeboten werden als ein Einzelkatalog, weil man ja in dem Fall blöd wäre, bloß den Tirana-Katalog und keinen anderen zu kaufen. Aus egoistischen Gründen enthielt ich mich dieser Rüge. Und aus einem anderen Grund: Im Foyer der Architekturausstellung im Ringturm erlebte ich eben die an Liebenswürdigkeit kaum zu überbietende Ignoranz gegenüber der Logik der Rentabilität. Ich erlebte ein bewundernswert systemfremdes Verhalten. Die Kampagne «Nimm drei, zahl die Hälfte» wäre systemadäquat gewesen, wenn man für den «veralterten» Slowenien- und Kroatien-Katalog den ehemaligen Vollpreis, nämlich vermutlich je 25 Euro, gerechnet hätte. Zusammen 75 Euro, das macht 37,50 Euro als verbilligten Paketpreis. Das wäre marktweise gehandelt: den Kunden, die Kundin, vor die Alternative gestellt, e i n Buch um 25 oder drei Bücher um 37,50 Euro zu kaufen.
Seit ich den Ringturm verließ, durchstreife ich die Stadt als Sammler solcher Verstöße gegen ökonomisches Denken. Ich ärgere mich nicht mehr über das Fehlen von AugustinverkäuferInnen in manchen hochfrequentierten Passagen in den Zeiten meines Durchschreitens. Ich denke nun: Hoch die DilettantInnen in Angelegenheiten des Kommerzes. Denn ihnen gehört die Zukunft.
Allerdings wäre es jammerschade, wenn jemand aufgrund dieses Dilettierens nicht an die vorliegende Ausgabe herankäme. Sie enthält nämlich ab Seite 12 ein intimes Protokoll einer christlichen Verzweiflung: über die obszöne Instrumentalisierung der pakistanischen Naturkatastrophe für den Kampf gegen die Armen und über die österreichischen Medien, die die Flut als Thema längst wieder für «out» erklären, obwohl die Dimension der Tragödie sich Woche für Woche ausdehnt.