Augustin 287 - 12/2010
Es gibt keine Alternative zur Alternative
«Stückweise kommt es an den Tag: Diese Budgetmaßnahmen sind großteils undurchdacht.» Die «beinharte» Kritik an der Einsparungsorgie der österreichischen Regierung stammt von «Standard»-Vordenker Hans Rauscher. Auch auf die Gefahr, dass er sein Augustin-Klischee («altlinkes Zeitungsprojekt») bestätigt sieht: Man sollte dem Kollegen vom Qualitätsjournalismus ausrichten, dass die Budgetmaßnahmen großteils sehr wohl durchdacht sind.Wohl durchdacht ist vor allem die völlige Ausblendung des Verursacherprinzips aus den gegenwärtigen budgetpolitischen Debatten. Wohl durchdacht ist, alles zu vermeiden, was der Bevölkerung zur Einsicht helfen würde, dass die höhere Staatsverschuldung naturgemäß aufgrund der Krise so rasch steigt und nicht aufgrund plötzlich überbordender Sozialleistungen!
So kommts, wie es kommen muss, wenn auch dank «Qualitätsmedien» die Krisenschulden zunehmend in ein «Leben über den Verhältnissen» der gesamten Bevölkerung umgedeutet werden, welches nun nicht mehr leistbar sei. Die Verteilungsfrage gilt als «altlinkes» Ritual, und höhere Steuern werden von Rauscher und Co. selbst dann als «Gefahr für die Mittelschicht» verunglimpft, wenn sie bloß für besonders wohlhabende Schichten in Betracht gezogen würden. Ganz im Sinne des Thatcherschen Leitspruchs heißt es wieder «There is no alternative» zum Sparkurs. Wie angenehm ist es, in einem Medium wie dem Augustin zu schreiben, in dem dieser TINA-Konsens mit Leidenschaft gebrochen wird.
Wir huldigen dem Verursacherprinzip weiter umso obszöner finden wir die meisten Sparmaßnahmen. Zwei Vertreter von durch den Sparkurs bedrohten Einrichtungen im Kulturbereich, die Jura Soyfer Gesellschaft und das Internationale Forschungszentrum Kulturwissenschaften, machen in dieser Ausgabe auf die Folgen des staatlichen Anschlags auf die «Artenvielfalt» der österreichischen Wissenschaftslandschaft aufmerksam (Seiten 26 und 27). Zivilcourage mit Schmäh wäre die beste Antwort auf diese Kahlschlagspolitik, sie muss ja nicht gleich aus dem Ansatz heraus erfolgreich sein wie die «Beste Partei» der Reykjaviker KünstlerInnen (Seite 29). Sie sollte aber, wenns geht, vielköpfiger sein als der Widerstand des Gloggnitzer Einzelkämpfers Erwin Haider gegen die neue Gaspipeline von Gänserndorf bis zum Semmering (Seite 6). Auch er hat den TINA-Konsens (siehe oben) gebrochen. Mit Leidenschaft, aber auch mit Grütze im Kopf: Der Bauer Haider ist im Zuge seines Kampfes ökologisch und ökonomisch kompetenter als alle seine Widersacher zusammen geworden. Der mittlerweile Enteignete weiß, dass das Wirtschaftsministerium und der Konzern OMV-Gas lügen, wenn sie immer noch thatchern: There is no alternative zum weiteren Ausbau des Gasnetzes. «Wenn sich die Öffentlichkeit für Ökonomie interessiert, muss man sich Sorgen machen», sagte irgendein Wirtschaftsminister. N o c h können die Prölls beruhigt sein.