Augustin 393 - 06/2015
Der vielleicht wichtigsten Nachricht in dieser Ausgabe haftet nichts Monströses an, zumindest nicht, was den Umfang des Textes, das Geschrei des Titels, den Pathos des Widerspruchs betrifft. Sie drängt sich nicht auf, ist relativ bescheiden im Magazin auf Seite 12 platziert. Monströs ist aber der Grad der Verfassungsverhöhnung, von dem in dieser Nachricht die Rede ist. Den Eigentümern und Verwaltern der burgenländischen Flüchtlingsherbergen ist von der Landesregierung verboten worden, Flüchtlingshelfer in ihre Häuser reinzulassen. Rainer Klien von SOS Mitmensch Burgenland glaubt es kaum: Das kann doch nicht legal sein in einer Gesellschaft, die am Recht auf Besuche von Angehörigen im Gefängnis nicht rütteln kann und die die vormals strikten Besuchszeiten in den Spitälern in eine lockere und gelassene Gepflogenheit des Kommens und Gehens aufgelöst hat. Klien stellt die Frage, ob das bereits der Vorgeschmack auf die blaurote Koalition ist; ob wir es mit der «Maßnahmesetzung Nr. 1» zu tun haben, wie ein bürokratisches Vorhaben im Duktus der Autoritätssprache genannt wird.
In unserer Gesellschaft spielt sich eine Kriminalisierung der Gastfreundschaft ab. Nicht
j e d e r Gastfreundschaft. Deutsche, nordamerikanische, belgische Urlauber_innen, die ihre Mittelschicht- und Oberschichteinkommen in Österreich lassen, sind willkommen. Eine Güssingerin, die täglich ins ferne Wien pendelt, um dort in einer Billa-Filiale die Regale zu betreuen, gilt als vorbildlich flexible, moderne Arbeitskraft. Sie ist willkommen in Wien, und sie genießt das Mitleid aller, die ORF-Dokumentation über die Billafrauen-Pendlerbusse gesehen haben und nachvollziehen können, wie wenig Lebenszeit diese Frauen zur Verfügung haben. Eine Slowakin, die um vieles näher bei Wien wohnt und mit größerer Logik zwecks Verbesserung des Lebensstandards in die österreichische Hauptstadt kommt, «schmarotzt» und «nimmt uns Einheimischen die Arbeit weg», weshalb sie nicht willkommen zu sein hat.
Dabei finden wir die Armen aus der Slowakei nicht an unterster Stelle im Ranking der Unwillkommenen. Am tiefsten Grund der Hierarchie darben die Rumän_innen. Als bei einem Augustin-Verkäufer_innentreffen ein Kollege aus Nigeria den Vorschlag präsentierte, die rumänischen Kolporteur_innen durch die fitteren Afrikaner_innen zu ersetzen, wusste ich, wer es in den kommenden Jahren am schwersten haben wird, sich aus dem Gefängnis der Ressentiments zu befreien. Nichts, was Menschen falsch machen können, wird n i c h t als Rumäniens «Volkscharakter» verunglimpft. Wie liebenswürdig wirken für humanistisch gebliebene Zeitgenoss_innen die Erfahrungen, die Augustin-Fotograf Mario Lang bei seiner Fahrradreise durch Rumänien erlebte (Seite 22). Mit jedem Kilometer donauabwärts öffnen sich die Herzen der Menschen ein Stückchen weiter, empfand Mario. «Gastfreundschaft ist ein Muss und keine Floskel. Im Falle einer Panne gibt es rundherum geschickte und hilfsbereite Hände, findet ein Gast kein Nachtquartier, werden auch die eigenen Häuser geöffnet. (…) Nur eines kränkt die Menschen sehr: ihr schlechter Ruf in Ländern wie Österreich oder Deutschland.»
Die «Katzelmacher« haben auch schon einen ruinösen Ruf gehabt. Heute wissen junge Menschen nicht mehr, dass einst die Leute aus Italien so genannt wurden. Viele durchaus belesene Menschen verwenden diese gelungene Auflösung der Negativ-Klischees für ihre Positiv-Prognose: Auch die Missachtung der Osteuropäer_innen werde sich verflüchtigen. Ich bin bei diesem Vergleich skeptisch. Die antiitalienischen Klischees verschwanden mit dem Grad der Erreichung der gleichen ökonomischen Augenhöhe. Von der rumänischen Ökonomie wird man das mittelfristig nicht behaupten können. Was also tun?