Augustin 404 - 01/2016

Unbescheiden von Jubeljahr zu Jubeljahr

Liebe Leser_innen! Wir wünschen Ihnen eine gute neue Olympiade! Die XXXI. Olympiade der Neuzeit hat nämlich am 1. 1. begonnen, sie wird am 31. 12. 2019 enden. Wäre es nicht zeitsparend, Zeitabschnittswünsche nur alle vier Jahre auszusprechen und vor der leidigen Knallerei am Ende dieser Periode 1461 Tage Ruhe zu haben?Zum überwiegenden Teil rechnet die Menschheit in Mond- und Sonnenjahren, sodass nach rund 350 Tagen eine Jahreswende ansteht, und während nach unserer Zeitrechnung gerade 2016 begonnen hat, sind andere Kalender schon Jahrtausende weiter (5776 laut hebräischer, 7524 laut byzantininischer Rechnung), der Französische Revolutionskalender (Jahr 224) wiederum ist noch nicht einmal beim Millennium angelangt. Diese offensichtliche Relativität der Zeit veranlasst mich, mit der Idee einer eigenen Augustin-Zeitrechnung zu spielen. Wie wäre es, ausgehend vom «Gustl 5 K(r)ampf» alias Augustin-Olympiade, die erste Gustliade auszurufen? Diese hätte am 19. 6. 2015 um 12 Uhr begonnen, als am Siebenbrunnenplatz das Erscheinen des neuen Gustl-Comicbandes mit einem sportlich-satirischen Wettkampf begangen wurde. Das war übrigens eine der vielen tollen 20-Jahre-Augustin-Veranstaltungen, an die wir uns mit Freude erinnern. 2015 war unser Jubeljahr.

Apropos Jubeljahr, ein solches hat Papst Franziskus 2016 ausgerufen. Das katholische Jubeljahr, in dem vollständiger Ablass für Gläubige winkt, orientiert sich am jüdischen Jobeljahr, in dem laut einem Toragebot Gläubigern sämtliche Schulden zu erlassen, Versklavte freizulassen seien und eine Bodenreform durchgeführt werden soll. Das fordern wir auch: Schuldenschnitt, Freiheit, radikale Umverteilung! Beispielsweise schlägt Martin Birkner in der aktuellen Folge der «Wiener Wirtschaft» vor, mit einem Teil des Vermögens von Zielpunkt-Eigner Pfeiffer nicht nur die Schulden der insolventen Handelskette zu tilgen, sondern auch die Übernahme der Filialen usw. durch die Mitarbeiter_innen und die Umwandlung der Firma in eine «Konsumgenossenschaft 2.0» zu ermöglichen.

Eigentlich ist es üblich, zu Jahresbeginn eine Vorschau auf Kommendes zu bieten; aufgrund der derzeitigen Nebulosität der Ideen, die wir umsetzen möchten, möchte ich nur auf zwei Neuerungen hinweisen: Es debütiert Mario Langs Fotoserie «Liegen gelassen» (S. 23) und endet Magdalena Steiners Bilderzyklus zu Gedichten Theodor Kramers. Ab Ausgabe 405 prangen auf der hinteren Umschlagseite Illustrationen zu Marcel Prousts «Suche nach der verlorenen Zeit».

Weiters kann ich Ihnen verraten, dass das «Gesamtkunstwerk» Augustin auch in Zukunft «work in progress» bleibt, wir weiterhin auf Seiten der «Erniedrigten und Beleidigten» stehen werden und dass wir in unseren Wünschen und Forderungen unbescheiden bleiben. Allerdings nicht so unbescheiden, dass wir allen, die durch Kauf, Verkauf, Mitarbeit, Spenden … den Augustin am Leben halten, nicht ein herzliches Dankeschön übermitteln möchten. Besonders möchten wir an dieser Stelle Mirza Prince, dem Team vom Werkl im Goethehof sowie allen Mitwirkenden der Benefizveranstaltung am 11. Dezember und Martin Erasmus von Vienna COMIX (Posterverkauf und Bilderauktion zugunsten des Augustin) danken!

eingSCHENKt: Wahrgenommen

«Wir sind keine Bittsteller, wir wollen Respekt!» Das war der zentrale Satz, den Erwerbsarbeitslose, Mitarbeiter_innen von Straßenzeitungen, psychisch Erkrankte, Menschen mit Behinderungen, Alleinerzieherinnen und Migrant_innen bei einem Treffen unte… weiterlesen

Offene Türen bitte nicht eintreten

Ein Kommentar zum Ausnahmezustand zwischen Paris und Wien

Die französische Regierung hat auf die Terroranschläge des 13. November in Paris mit der Ausrufung des landesweiten Ausnahmezustands reagiert. Er hat massive Grundrechtseingriffe zur Folge – bis hin zu Haft und Hausdurchsuchungen ohne Beschlüsse durc… weiterlesen

Rassismusfreie Zone gesucht

Wie die ÖBB einen Zugführer und seine Kritik loswerden wollen

Die Geschichte des ehemaligen ÖBB-Zugführers Yüksel Yilmaz machte in allen Medien die Runde:  Weil er gegen rassistische Beschimpfungen und sexistisches Verhalten mobilmachte, wurde er entlassen. Dagegen kämpft er vor Gericht. Sonja Henisch ließ… weiterlesen

Intersexualität – zwischen Normalität und Negierung

Auf dem Weg zu einem anderen Umgang mit Geschlechtszugehörigkeiten

Im November 2015 fand unter dem Titel «intersex solidarity days» in Wien Österreichs erste Intersex-Tagung statt: zur Information und Sensibilisierung der Öffentlichkeit und zur Vernetzung von Intersex-Personen. Intersexualität erklärt der Duden mit … weiterlesen

Von der Zielpunktpleite zum Konsum 2.0

Über «Kapitalistenschweine», Lebensmittel als Waren & machbare Alternativen

Die Insolvenz der Lebensmittelkette «Zielpunkt» treibt tausende Menschen in die Arbeitslosigkeit. Martin Birkner zeigt, dass sie darüber hinaus wichtige Fragen nach gesellschaftlicher Verantwortung von Vermögensbesitzer_innen und der Sinnhaftigkeit v… weiterlesen

Maisgries für die Sau

Kuba: Eine agrarökologische Bewegung keimt auf

Armando Marcelino Pi ist ein vielbeschäftigter Mann.  Wenn er nicht gerade Philosophie an der Universität lehrt, bewirtschaftet er mit seiner Familie die gemeinsame Farm «La Carmelina» im ländlichen Gemeindebezirk La Palma im Westen Kubas. Oder … weiterlesen

Ein neues Wertesystem

Das «mo.ë» in der Thelemangasse, Wien 17, passt nicht in die Immobilien-Entwicklung

Wenn die «wirtschaftliche Verwertbarkeit im Vordergrund steht», hat die nichtkommerzielle Kunst meist schlechte Karten.  Bei Erscheinen dieses Artikels ist das Kulturzentrum «mo.ë» in der Thelemangasse vielleicht schon Geschichte. Christian Bunk… weiterlesen

Schöne Leichen im Keller

Eine kleine Augustin-Museologie: Folge 5 – Das Bestattungsmuseum am Zentralfriedhof

Was trug man bei Sisis finalem Good-bye? Seit wann ist Haydns Kopf wieder da? Und wie viele Leute sind eine Familie, wenn es ums Familiengrab geht?  Im Bestattungsmuseum wird den letzten Fragen gefrönt. Lisa Bolyos (Text und Fotos) hat sich ins … weiterlesen

Fruchtbarer Boden für «Investorenarchitektur»

«Wiener Abreißkalender» dokumentiert Umgang mit historischer Bausubstanz

Er stehe dazu, dass ihm moderne Architektur in der Regel nicht gefalle, Ausnahmen bilden etwa das Berghotel Ještěd (Architekt Karel Hubáček, Anm.) bei Liberec in Nordböhmen oder der BMW-Turm in München des österreichischen Architekten Karl Schwanzer…. weiterlesen

Nachbar_innenstadt: Impactstarkes Highlight

Wenn Sie sich an Premiumstandorten im innerstädtischen Bereich herumtreiben, dann wird Ihnen vielleicht aufgefallen sein, dass sich die in digitale Produktwelten verwandelt haben, wo Botschaften (Sie) begleiten vom Eintreffen in die U-Bahn-Station zu… weiterlesen

Alles muss sichtbar sein/werden/bleiben

Partnerschaft im Souterrain: Modelabel «Wiener Unart» und die «Graphikkinder»

Passsant_innen vor dem Haus Linke Wienzeile 108 wegen der großen Kellerfenster guten Einblick haben, strahlt etwas Müßiggängerisches, aber auch etwas durchaus Arbeitsames aus;  etwas Spielerisches und Geselliges, aber auch Hingabe und Unternehme… weiterlesen

Ein Beatnik im Ruhestand

Zu Besuch bei Johnny Parth, Wiens produktivstem Schallplatten-Produzenten

Der Verein für österreichische Subkulturforschung «Trash Rock Archives» betreibt Spurensuche für den Augustin.  In einer dreiteiligen Miniserie stellen wir einmal pro Monat in Vergessenheit geratene Held_innen der heimischen Popgeschichte vor. D… weiterlesen

Jahre und Tage

Das Jahr hat bekanntlich 365 Tage (abgesehen von Schaltjahren), aber diese Anzahl ist viel zu knapp für unsere mannigfachen Gedenktage.Ich spreche nicht vom Vater-, Mutter- oder Kindertag, das geht gerade noch. Am Welttag des Kindes habe ich mich sog… weiterlesen

Versteh’ nur Bahnhof (2)

«Sie sind kein Tourist»

Ruud van Weerdenburg ist viel unterwegs, meistens mit dem Zug. Mitunter kommt er dabei aus der Bahn …

Illu: Ruud van Weerdenburg

 

Gut vorbereitet zu sein auf einer Reise braucht eine Art innerlichen Vorgang – nach Ptuj, wo eine Aufführu… weiterlesen

Neue Serie von Magdalena Steiner für 2016

«Waldviertler Winter»

In dieser Ausgabe ziert zum letzten Mal eine Illustration von Magdalena Steiner zu einem Gedicht Theodor Kramers die hintere Umschlagseite des Augustin. Ab der Nummer 405, die am 20.1. erscheinen wird, lässt sich die Künstlerin von Marcel Prousts «Au… weiterlesen

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