Augustin 416 - 06/2016
Regelschule oder Alternativschule oder ganz weg damit?
Bald, schon bald beginnen die Sommerferien, in Wien ab 2. Juli, in den westlichen Bundesländern eine Woche darauf – Anlass, sich im Augustin intensiv mit dem Thema Schule auseinanderzusetzen. Der wohl älteste wie ödeste Pauker-Spruch lautet: «Nicht für die Schule, sondern fürs Leben lernen wir.» Selbstredend hat die schrecklichste aller meiner Lehrer_innen, die niemals jemals einen pädagogischen Beruf ergreifen hätte sollen, liebend gern dieses Sprichwort im Mund geführt.Ein paar Jahre später klärte uns eine andere Lehrerin, eine der besten, die ich hatte, über den Ursprung des Zitates, mittels dessen qualvolle Schul- und Lernstunden gerechtfertigt werden, auf: Der Satz stammt von dem Philosophen Seneca (ca. 4 v. u. Z. bis 65 u. Z.), der aber exakt das Gegenteil behauptete: «Nicht fürs Leben, sondern für die Schule lernen wir.» Zwar hatte der antike Denker keine Schule im heutigen Sinn im Kopf, als er den Satz formulierte, doch trifft er den Kernpunkt der Kritik am Regelschulsystem: Es geht nur darum, exakt Vorgegebenes zum alleinigen Zweck, innerhalb des Systems zu bestehen, zu lernen. «Der fixe Lehrplan schränkt alle ein. Es wird was unterrichtet, was womöglich Lehrer_innen und Schüler_innen langweilig finden, bloß, weil es der Lehrplan vorschreibt. Total unsinnig!», meint auch Janis, ein ehemaliger Schüler der Freiraumschule, der nun eine Regelschule besucht, im Interview in unserer Partner_innen-Beilage, die von Schüler_innen der Freiraumschule Kritzendorf gestaltet wurde. Sie stellen Grundgedanken und Aktivitäten einer Schulform dar, in der Lernen Spaß macht.
Mit dem gängigen Schulmodell sind fast alle unzufrieden. Die schon ewig andauernde Debatte pro und kontra Gesamtschule nervt nicht nur unendlich, sondern geht vollkommen am Problem vorbei. In einem Gefüge, in dem Wissensaneignung streng hierarchisch organisiert ist und sowohl Lernende als auch das zu Lernende in ein willkürliches Raster gepresst werden, bleibt Schule über weite Strecken überfordernd, unterfordernd, langweilig. Weil aber jedes Kind selbstverständlich ein besonderes ist und «besondere Bedürfnisse» hat, fordert Robert Sommer nur anscheinend ganz unzeitgemäß «Macht aus allen Schulen Sonderschulen!» (S. 9) und er erinnert an Ivan Illichs Forderung nach einer Entschulung der Gesellschaft (S. 8). Wir richten unseren Blick aber nicht nur auf Traum- und Wunschschulen oder auf das Ideal einer schulfreien Gesellschaft, sondern befassen uns auch mit ganz konkreten Problematiken des Schulalltags. Georg Schinko schreibt über Mobbing in Schulen und wie dagegen angegangen werden kann (S. 6).
Dass auch aus einer Schule etwas werden kann, beweist die KUGA, ein mehrsprachiges Kulturzentrum im burgenländischen Großwarasdorf, das in einem ehemaligen Schulgebäude beheimatet ist. Mit dem Mitbegründer und Aktivisten Joško Vlašich sprach Lisa Bolyos (S. 24). Im dichter innenteil schildert Sebastian Eff seine Eindrücke aus seinen Volksschuljahren (S. 31) und weist auf das Gute (die Toleranz der Lehrerin) im Schlechten (autoritäre Erziehung). Weil sie ihn einfach in Ruhe ließ, schickt Sebastian Eff seiner ersten Lehrerin nachträglichen Dank.