Augustin 422 - 10/2016

Stalins Schulter

Die Maronibrater sind wieder da, und ich muss Ihnen leider sagen: Daran, dass der Sommer Geschichte ist, besteht offiziell kein Zweifel mehr. Mit diesem Augustin laden wir Sie zu ein paar Herbstspaziergängen ein.Zum Beispiel durch Wilne oder Vilnius (Seiten 20–21), das einst als «Jerusalem des Nordens» galt und den Besucher, die Besucherin mit Verkopftem zu locken wusste: «Um Geld zu erlangen, geh nach Łódź, um Weisheit zu erlangen, geh nach Wilne.» Marita Gasteiger hat sich zwischen Didžioji gatvė, Vokiečių gatvė und Rūdninkų gatvė herumgetrieben und Geschichten von Wissen, Vertreibung und Wiederaneignung gesammelt.

Oder nach Schwechat! Dort gibt es wunderschöne Flachlandschaften mit traditionellem, wenn auch industriellem, Ackerbau und kleinen Dörfern, die unter Verkehrslärm leiden: von unten wie von oben. Die «Antifluglärmgemeinschaft» kämpft gegen das Dröhnen, das vom Himmel kommt – die Flughafen Wien AG hingegen will ausbauen. Auf den Seiten 6 bis 7 sprechen wir mit verschiedenen Seiten über das geplante Infrastrukturprojekt «Dritte Piste», eines der größten im ganzen Land. Wird die dritte Piste kommen? Auf wessen Land wird sie gebaut? Und ist Fliegen trotz der Sorge ums Klima zukunftsfähig? In den kommenden Augustinausgaben werden Sie noch mehr über die Hintergründe dieses Megaprojekts erfahren.

Oder kommen Sie mit uns nach Budapest! 60 Jahre ist es dieser Wochen her, dass in Ungarn der Aufstand geprobt wurde. Wir wollen wissen, wie die Ereignisse erinnert werden. Spreche ich mit meinem Vater über den Herbst 1956, den er 5-jährig in der Budapester Damjanich utca erlebt hat, beginnt die Geschichte mit einer Statue: einem überdimensionierten «Sztálin». Der wurde im Oktober ’56 von den Revolutionsfreudigen umgeworfen und ist mit einer seiner riesigen Schultern grad dort, wo er stand – am Hősök tere, dem Budapester Heldenplatz –, in den Boden gekracht. «Da hat er ein Loch geschlagen, der Stalin», sagt mein Vater. In seiner Erinnerung ist 1956 zuerst einmal eine Kuhle im Boden, der man als Kind mit dem Fahrrad ausweichen musste, um sich keine Knochenbrüche einzuhandeln – und keinen Achter. Auf den Seiten 8 und 9 lassen wir ungarische Wiener_innen zu Wort kommen: Was für ein Versprechen war 1956? Und was sehen sie, wenn sie heute nach Ungarn blicken?

Einen schönen Herbst mit gutem Ausblick wünscht

Lisa Bolyos

eingSCHENKt: Eine Pippi Langstrumpf aus Moldawien

Heute kommt die Mama auch nicht nach Hause. Mama bleibt in Italien beim fremden Kind. Und Papa in Sibirien auf seiner Baustelle. Cristina kümmert sich um alles, sie kocht und putzt, sie füttert die Schweine, die Hühner und die Hunde, und wenn es sein… weiterlesen

Wo Adler nie müde werden …!

Das kleine Fenster, das in der Mitte ein weißes Plastikkreuz in sich bewahrte, ließ heute von draußen keinen Schimmer Licht aufsammeln. Die abendlichen Dämmerung, die sich viel zu früh auf die breite Straße, die Autos und die großen Laternen legte, s… weiterlesen

Gedichte (Sensengeplärr)

Sensengeplärr im seitengleis

Schert aus

Entgleist

Stirbt dann bald.

Die morgenröte im lidaufschlag

In die sense der aufgestiegenen himmel

Im brach liegenden vulkan, dessen lawa

Der röte des morgens gleicht.

Im wanderlicht durch die s… weiterlesen

Garten im Herbst

Alles verwelkt, die Tomaten längst geerntet, ein paar Kräuter halten sich noch über den Winter. Bald kommt der Schnee. Der Boden friert, die Ernte ist weiß, trüb und leer. Es sieht immer anders aus, wenn man genau hinschaut.

Grafik: Andi Kleinhansl
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NACHBAR_INNENSTADT: «Öffentliche» Gastro-Klos

«Wir sind kein öffentliches WC!», steht nicht selten auf den Türen mancher Restaurants, Cafés, Bars geschrieben. Gegenteiliges steht hingegen auf der Website der MA 48 – hier sind WCs dreier Lokale als öffentliche Klos im 8. Bezirk aufgelistet.Die Be… weiterlesen

Kompostklo vs. Vielfliegerei

Flughafen Wien Schwechat: zäher Kampf um die dritte Piste

Braucht der Flughafen Wien eine dritte Piste? Ja, weil sie den Standort sichert und die Wirtschaft fördert, sagen die einen. Nein, weil sie den Flugverkehr ankurbelt und Lärm und Luftverschmutzung schon jetzt auf keine Kuhhaut mehr gehen, sagen die a… weiterlesen

Herr Adler beschließt, die Stadt zu verlassen

60 Jahre ’56: ungarische Wiener_innen erzählen (Teil 1)

60 Jahre ist es her, dass Ungarn den Aufstand probte.  Nachdem der Versuch, Demokratie und Neutralität einzuführen, von Chruschtschows Truppen niedergeschlagen wurde, verließen 200.000 Menschen das Land. In den beiden Oktoberausgaben des Augusti… weiterlesen

Ein Guglhupf für die Gasse

«Permanent Breakfast» als Methode, das Gesprächsklima zu entdramatisieren

Wie ticken die Menschen, zu denen wir nur schwer Zugang haben?  Das können wir nur wissen, wenn wir uns den Zugang verschaffen. Empfehlenswert ist, einen reich gedeckten Frühstückstisch auf den Gehsteig einer x-beliebigen Straße zu stellen und d… weiterlesen

An der schönen gold’nen Donau

Für Immobiliengeschäfte gilt: mehr privat, weniger Staat

Derzeit wird in Wien eine der größten Immobilientransaktionen der letzten Jahre gestartet: Der DC-Tower auf der Donauplatte wird verkauft.  Was einmal öffentlicher Grund war, ist jetzt Gegenstand zäher Verhandlungen, deren Ziel eine möglichst ho… weiterlesen

Forschungsreisen mit dem Transporter

«Stop and Go»: Verkehrsverbindungen zwischen Ost und West

Die Knotenpunkte von Straßenkorridoren zwischen «Ost-» und Westeuropa untersuchen die beiden Architekten und Mobilitätsforscher Michael Hieslmair und Michael Zinganel in Theorie und Praxis. Reinhold Schachner besuchte die beiden in ihren Projekträume… weiterlesen

Nützliches Eisen

Wider die Dreckklumpen an den Schuhsohlen

Im Landesinneren von Bulgarien hat nicht zuletzt der gute alte Schuhabkratzer überlebt. Wenzel Müller (Text und Fotos) ist ihm in Medowina auf Schritt und Tritt begegnet.Wer Bulgarien als Urlaubsziel wählt, fährt gewöhnlich an die Schwarzmeerküste. S… weiterlesen

Das «schwarze» Viertel

Wilne – ein Spaziergang durch das jüdische Vilnius

Hebräische und jiddische Gedenktafeln, Statuen, eine aktive Synagoge, Stolpersteine:  Wer heute mit offenen Augen durch Vilnius spaziert, kommt an einem nicht vorbei: Die Geschichte der litauischen Hauptstadt ist untrennbar mit der des osteuropä… weiterlesen

«Materialisiert»

Lokalmatador 373

Michele Falchetto erfand Papier-Module für Schreibende, die beim Ideen-Ordnen helfen. Von Uwe Mauch (Text) und Mario Lang (Foto).Am Anfang liegt wieder einmal ein leeres Blatt Papier auf dem Tisch. Bald zeichnet sich oben die fortlaufende Nummer ab: … weiterlesen

Nachrichten aus dem Schleudersitz

Augustin im Theater

Wie schnell kommt man selbst ins Schleudern?, fragt das Theaterstück «Nachrichten aus dem Schleudersitz» von Josef Maria Krasanovsky, und meint damit weniger das herbstliche Aquaplaning als die soziale Unsicherheit.

Foto: Bettina Frenzel

Um zu e… weiterlesen

Prekäre Kunst hat Hunger

TheaterArche: von Kafka bis zur Burgtheateraffäre

«In den letzten Jahrzehnten ist das Interesse an Hungerkünstlern sehr zurückgegangen. Während es sich früher gut lohnte, große derartige Vorführungen in eigener Regie zu veranstalten, ist dies heute völlig unmöglich.» So lauten die Anfangssätze von F… weiterlesen

Wie Kunst und Kind zu schaffen sind

Kunst & Kind, Teil 1: Borjana Ventzislavova

Was machen Künstler_innen, wenn das Baby lauter brüllt als die Muse? Wo kann man im Bewerbungsformular zum Auslandsaufenthalt ankreuzen, wie viele Kinder im Gepäck sind? Und lässt sich mit Kunst überhaupt genug verdienen, um die Gschroppen satt zu kr… weiterlesen

Und er warf ihn durch die Luft

Doris Uhlich & Michael Turinsky: Rave im Rollstuhl

«Eigentlich ist ein Rollstuhl eine Ravemaschine», befindet die Künstlerin, DJ und Tanzpädagogin Doris Uhlich. Gemeinsam mit dem Performer Michael Turinsky entwickelte sie das Stück «Ravemachine», das in ihrem Minifestival «All Machines Welcome!» zu s… weiterlesen

Jung, verwundet, auf See

Musikarbeiter unterwegs … mit Engagement und Zufriedenheit

Laura Rafetseder veröffentlicht Ende Oktober mit «Swimmers In The Arctic Sea» ein neues Album. Berührende Songs, die Persönliches und Politisches zusammensingen. Von Rainer Krispel.

Foto: Mario Lang

Ich muss, im Moment, «Some Things» von Firehos… weiterlesen

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