Augustin 453 - 02/2018
Kritik und Genuss
Hilfe, Raub! Haltet die Diebe! Was wurde geraubt? Öffentliches Eigentum. Wer wurde bestohlen? Wir alle. Zugegeben, so ausgedrückt ist die Beschreibung von Privatisierungen staatlicher Immobilien polemisch, unzulässig vereinfacht, krude Schwarz-Weiß-Malerei.Sie ahnen, es geht um die Causa BUWOG. Der großangelegte Verkauf bundeseigener Immobilien im Jahr 2004 war Teil eines umfangreichen Privatisierungsvorhabens der ersten ÖVP-FPÖ-Regierung. Die Einnahmen sollten dem «Stopfen von Budgetlöchern» dienen und einen tatsächlich ausgeglichenen Haushalt ermöglichen – Stichwort «Nulldefizit». Der Erfolg dieser Maßnahmen ist zweifelhaft. Die Vorgänge rund um den BUWOG-Verkauf sind jedenfalls ominös, und dass dessen Akteure, allen voran der damalige Finanzminister Karl-Heinz Grasser, nun vor Gericht stehen, ist nicht zuletzt den Recherchen von Ashwien Sankholkar zu verdanken. Mit dem Aufdeckungsjournalisten und Autor trafen sich Alexander Behr und Lisa Bolyos (Interview S. 6).
Auch Türkisblau ist der Idee vom «schlanken Staat» zugetan, was eine elegantere Fassung des holzhammerhaften «Weniger Staat, mehr privat» darstellt. Interessanterweise kommen von Seiten der Regierungsparteien in letzter Zeit Vorschläge zu Verstaatlichungen, etwa der Krankenkassen. Norbert Hofer möchte den österreichischen Rundfunk staatlich – also über Steuergelder – finanzieren und Nutzer_innen von ungeliebten GIS-Gebühren befreien. Als die FPÖ noch in Opposition war, schimpfte sie den ORF «Regierungsfunk», ein Positionswechsel verändert auch die Perspektive. Die Vorteile gleichgeschalteter Medien für Regierende, denen nichts an den Anliegen und Meinungen anderer liegt, sind evident. Unser Herr Hüseyin, Kenner der türkischen Medienlandschaft, erzählt davon in seiner Kolumne (S. 41). Unabhängige Medien sind neben der Gesetzgebung, der Verwaltung und der Gerichtsbarkeit die inoffizielle 4. Säule der Demokratie, indem sie informieren und auch kritisieren. Und der Augustin und seine Macher_innen können nicht anders und wollen in diesem Sinn auch die Medienfunktion des (politischen) Korrektivs erfüllen. Deshalb auch so viel Politik und Kritik und oft Inhalte, die nicht lustig, schön und unterhaltsam sind. Aber es ist natürlich nicht so, dass Augustin-Autor_innen neben einem, sagen wir, aufklärerischen Ideal, nicht auch dem Schönen und Genüsslichen zugeneigt wären. Der Herkunft eines besonderen Genussmittels, nämlich des Augustin-Kaffeetscherls, gingen sole noir nach (S. 20). Sie besuchten das Anbaugebiet der guten Bohne in der kubanischen Sierra Maestra.