Augustin 480 – 04/2019

Mythen des Großstadtalltags

Ich sitze in einem Beisl und werde von einem anderen Gast in einen Smalltalk verwickelt. Natürlich muss irgendwann die Frage fallen, was ich denn beruflich mache. «Ich arbeite in der AUGUSTIN-Redaktion», lautet meine wahrheitsgemäße Antwort. «Ich kaufe den AUGUSTIN nicht mehr, weil mein Verkäufer unverschämt geworden ist», lässt mich der Beisl-Gast wissen. Er habe dem Kolporteur, der vor einem Supermarkt steht, nicht nur die Zeitung abgekauft, sondern auch immer eine Wurstsemmel und einen Energy-Drink mitgebracht. Doch mit der Zeit wünschte sich dieser Verkäufer einen anderen, nämlich teureren Drink. Damit sei Schluss gewesen, den AUGUSTIN zu kaufen.

Seine Begleiterin erzählt, sie habe einem AUGUSTIN-Kolporteur immer Geld zugesteckt, bis sie feststellen musste, dass dieser einen Mercedes fahre. Meinen Hinweis, dass selbst Autos mit einem Stern zu Schrottkisten werden können und dementsprechend günstig am Gebrauchtwagenmarkt zu erstehen seien, wischte sie mit einem Nein, es handle sich um einen teuren, weg.
Daraufhin rechnete mir mein erster Gesprächspartner vor, dass es ein Kolporteur mit 20 Arbeitstagen im Monat inklusive Trinkgeld auf 800 Euro bringen könnte. Seiner Meinung nach ein stattliches Einkommen für eine unqualifizierte Arbeit. Darüber hinaus müsse man auch noch Geschenke wie Wurstsemmeln und Energy-Drinks miteinkalkulieren, somit könne man durch die Kolportage gemütlich das Auslangen finden.
In der Theorie vielleicht, und es mag unter den rund 400 AUGUSTIN-Verkäufer_innen sogar jemand geben, auf den oder die ein Mercedes zugelassen ist, wir können keinen Gegenbeweis bringen. Wir möchten aber im Gegenzug festhalten, etwa in unserer Serie Immo aktuell auf Seite 13, dass in fast allen Ländern der EU die Obdachlosenzahlen ansteigen und dass in der EU bereits rund 82 Millionen Menschen mehr als 40 Prozent ihres Einkommens fürs Wohnen ausgeben müssen.

Wie es jenen geht, die sich keine Wohnung mehr leisten können, erkundete Markus Schauta (Seite 6), denn mit 30. April endet das sogenannte Winterpaket. Das bedeutet, zusätzliche Wärmestuben und Notquartiere werden wieder geschlossen.

Mythen bilden sich nicht nur um Straßenzeitungsverkäufer_innen, auch andere Stadtnützer_innen sind stark davon betroffen, wie zum Beispiel Tauben. Stefan Pscheider leistete Aufklärungsarbeit und befragte über Tierärztinnen und Reinigungsunternehmen hinaus auch einen Pfarrgemeinderat (!) zum Taubenkomplex, somit konnten wir nicht anders als die Stadttauben-Reportage zur Coverstory (Seite 16) zu adeln.
Und wir warten schon gespannt auf ein neuerliches Bonmot des AUGUSTIN-Verkäufers Helmut F. Zuletzt meinte er: «I hob eam no ned glesn, oba diesmal is er echt gut gschriem, der AUGUSTIN.»

wos is los … beim Augustin

Wir brauchen noch 40.000 Euro

Anfang März haben wir verlautbart, dass heuer noch 80.000 Euro benötigt werden, um weiterhin das gesamte Angebot des AUGUSTIN inklusive Sozialarbeit und Redaktionen (AUGUSTIN TV und Radio AUGUSTIN) in gewohnter Quantität und vor allem Qualität bieten… weiterlesen

Bright

«Ich bin immer aktiv»

Ich verkaufe den AUGUSTIN erst seit ungefähr einem Monat. Ich bin noch nicht ganz drinnen, aber es geht mir gut. Nur das Stehen ist leider schwierig, weil ich ein Beinproblem habe. Stammkund_innen habe ich noch nicht.

Seit drei Jahren bin ich in P… weiterlesen

Zuhause auf Zeit

Frühlingsbeginn und Wohnungslosigkeit

Der 30. April ist Stichtag. Dann endet das Winterpaket für Wohnungslose. Zusätzliche Wärmestuben und Notquartiere werden wieder geschlossen. Markus Schauta hat nachgefragt, wo EU-Bürger_innen in Wien ihre Winternächte verbringen und was sie tun, wenn… weiterlesen

Eine brennende Zelle

Schubhaft in Wien Hernals

Im Herbst haben sechs Männer in Schubhaft ihre Zelle in Brand gesetzt. Christof Mackinger hat ihren Gerichtsprozess beobachtet und mit einem von ihnen im Gefängnis gesprochen. Das Protokoll einer (vorerst) gescheiterten Flucht nach Europa. Illustrati… weiterlesen

Eine Million für faires Wohnen

Europäische Bürgerinitiative: billiger wohnen, weniger spekulieren

Die Bürgerinitiative Housing for All will Wohnen wieder leistbar machen. Europaweit sollen dafür eine Million Unterschriften gesammelt werden. Illustration: Much

Es ist ein banges Warten gewesen. Bis zuletzt. Denn die bei der Europäischen Kommissi… weiterlesen

Urban nisten: die Stadttauben

Sie streifen durch die Straßen, werden mehr gehasst als geliebt. Ab und zu markieren sie Objekte und Menschen mit einem Gackerl: die Wiener Stadttauben. Stefan Pscheider (Text) und Nina Strasser (Fotos) hefteten sich an ihre «Fersen».
Morgens an de… weiterlesen

Sorgende Maschinen

Wenn Care-Arbeit technologisiert wird

Roboterarme, die Babys schaukeln. Online-Coaching für Online-Dates. Die Technologisierung der Sorgearbeit schreitet voran. Vina Yun (Text) und Lisa Bolyos (Fotos ) haben die Ausstellung TechnoCare im Kunstraum Niederösterreich besucht.

Kennen Sie … weiterlesen

Komfortzone Theater

Theater ist für alle da. Und auch Theaterkritik soll nicht nur einer Handvoll Feuilletonist_innen überlassen werden. Ruth Weismann (Text und Foto) hat den Verein Neue Wiener Theaterkritik besucht, der an einer Community des performativen Diskurses ar… weiterlesen

The Digital Natives Are (Still) Restless!

Musikarbeiter unterwegs … Augmented Reality auschecken

Seit über 30 Jahren ist das Multimedialabor Station Rose aktiv. Mit Liquid Walls Of Sound verbinden sie digitale Kunst und Musik mit den Qualitäten von Vinyl und Druck. Foto: Mario Lang

Ich bin Gelegenheitsinteressierter. Ganz gewiss was elektroni… weiterlesen

Die Haltestelle

Andel hatte starke Kopfschmerzen. Im oberen Stirnbereich, zwischen

den Schläfen hatte sich eine Spannung festgesetzt, die darauf pochte,

dass er sich unverzüglich aufmachte. Andels Weg war nicht weit,

zurückgelegt werden musste er. Die elek… weiterlesen

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