Augustin 492 - 11/2019
Geh weida!
Vos tut nisht veln a beser velt? Beim AUGUSTIN steht der dringende Wunsch nach einer besseren Welt jedenfalls ganz oben auf der Agenda; genauso wie bei der Wiener Musikerin Isabel Frey, die unserer Coverfotografin Carolina Frank eines ihrer jiddisch-revolutionären Lieder auf der Gitarre vorgespielt hat. Manche kennen Isabel Frey schon von jener Demonstration, die sich donnerstags zuungunsten der Regierenden durch Wiens Straßen zu schlängeln pflegt; alle anderen haben die Möglichkeit, beim heurigen KlezMORE Festival ihrem ersten großen Wiener Bühnenkonzert beizuwohnen. Sascha Stoff hat die Musikerin dazu befragt, was ihr die jüdische Diaspora bedeutet, wie sie die Kombination «links & jüdisch» ausbuchstabiert, wo ihr Zuhause ist und wie sich von da aus die Welt ändern lässt (S. 22).
Daloy Politsey ist eines der berühmtesten Lieder aus dem Repertoire des Jüdischen Arbeiterbundes, dem Isabel Frey anhängt (sie bezeichnet sich selbst als «Millennial-Bundistin»). Dieser über hundert Jahre alte Titel, ins Wienerische übertragen so viel wie «Geh weida, Kiwarei», hatte nicht nur bei den Protesten gegen den russischen Zaren Gültigkeit, zu denen der Bund ihn anstimmte; er könnte heute gut und gern auch durch die Gassen von Wiener Neustadt klingen. Dort hat die Fremdenpolizei nämlich derart ihr Unwesen getrieben, dass die lokale Straßenzeitung Eibisch-Zuckerl aus Not an Zeitungsverkäufer_innen mit Dezember ihren Betrieb einstellt. Ruth Weismann hat erfahren, dass allein in den letzten zwei Jahren um die fünfzehn Verkäufer_innen abgeschoben worden sind (S. 6).
Das Eibisch-Zuckerl ist eine von neun Straßenzeitungen, die österreichweit auf Prachtboulevards und in Hintergassen, im Windfang von Supermärkten und im Schanigarten (demnächst prominent abgelöst vom Punschstandl) verkauft werden. Sie kamen Anfang Oktober in unseren AUGUSTIN-Räumlichkeiten zusammen (S. 4), um sich über Erfreuliches und Ärgerliches aus dem Alltagsleben der Verkäufer_innen, Redakteur_innen und Sozialarbeiter_innen auszutauschen – und a besere velt im Journalismus und im öffentlichen Raum in Angriff zu nehmen.