Augustin 542
Beton- und Mostschädel
Ein Betonschädel ist ein Mensch, der sich «geistig in keine neue Richtung bewegt». Das kann, muss aber nicht in direktem Zusammenhang mit dem gleichnamigen Baumaterial stehen. Will man mitten in der größten Klimakrise den Individual- und Schwerverkehr durch Straßenneubau fördern, könnte man aber durchaus einen gewissen Bezug erkennen. In Licht am Ende des Tunnels (S. 10–11) widmet sich Christian Bunke den Gründen dafür, sich den Alternativen zum Lobau-Tunnel zu verschließen. Um Beton im Kleinformat geht es auch in der Rubrik Immo aktuell – hier rechnet Christof Mackinger nach, ob es wirklich dem Stand der Forschung entspricht, auf ehemaligen Autoparkplätzen neben Zierbirnen (Pyrus calleryana) Betonsessel aufzustellen.
Schreiten wir voran zu einem anderen kopfbezogenen Regionalschimpfwort: dem Mostschädel. Der bezeichnet interessanter Weise den_die Oberösterreicher_in und nicht, wie man meinen dürfte, den Menschen aus dem niederösterreichischen Mostviertel. Von dort, präzise aus Texingtal, kommt der neue Innenminister Gerhard Karner (Stand: Mitte Dezember). Was in seiner Mischung aus Texas und Beijing nach weitem Horizont und metropolitaner Verheißung klingt, ist in Wirklichkeit ein kleines Dorf, beinahe vergessen, wäre es nicht der Geburtsort von Engelbert Dollfuß. Und stünde dort nicht das Dollfuß-Museum. Und wäre Karner nicht bis vor kurzem als Bürgermeister von Amts wegen Betreiber dieses Museums gewesen. Österreich halt. Dass Dollfuß nicht nur in Texing geehrt wird, musste Julia Schönherr (S. 18–20) auf ihrer journalistischen Wallfahrt durch die Dollfußkirchen feststellen.
In Hetzendorf hingegen ist mitten in einer Streuobstwiese ein Dorf entstanden, für 16 Häuser wurde kein einziger Baum gefällt – das klingt mehr nach Janosch-Kinderbuch als nach Wiener Bauordnung. Ganz hinten am Waldrand steht das Häuschen von Michi Kummer. In das Vogelhaus, das er daneben aufgehängt hat, kommen Blaumeisen und Kohlmeisen zu Besuch. Willkommen im Wiener VinziDorf! Ein veritables Paradies sei hier geschaffen worden, sagt Kummer; wenn der Behördenweg auch eher steinig war. Isabella Marboe besuchte für unsere Covergeschichte (ab S. 6) das «einzige Gasthaus der Stadt, das auch im Lockdown offen hat».
Füttert die Vögel, stürzt das System! Wenn nicht im alten, dann gerne im neuen Jahr.