Augustin 591
Empathie und Liebeslieder
Demonstrationen sind nicht unbedingt dafür da, Gegner:innen zu überzeugen. Sie sind im besten Fall eine Form der Solidaritätsbekundung mit jenen, die von politischen Haltungen und Entscheidungen betroffen sind, und sie geben einem Sachverhalt Aufmerksamkeit. Hunderttausende Menschen haben in Deutschland demonstriert, seit die Rechercheplattform Correctiv Mitte Jänner das Treffen von Politiker:innen der AfD mit Rechtsextremen, u. a. aus Österreich, aufdeckte, bei dem die großangelegte Deportation von Menschen aus Deutschland debattiert wurde. Auch in Österreich gab es eine große Demo gegen Rechts, kleine «Donnerstagsdemos» gibt es seit längerem schon jede Woche am Wiener Platz der Menschenrechte. Warum das wichtig ist? Weil wir mit dem antifaschistischen «Nie wieder» früh genug beginnen müssen.
Diese Ausgabe beginnen wir jedoch mit etwas erfreulichem, einem Projekt, das einer Stadt wie Wien, die offen, kulturell relevant und für jed:e Bewohner:in gut lebbar sein will, bislang gefehlt hat: eine Schauspielausbildung für alle. «Im Theater Delphin ist selbstverständlich, was andernorts ‹Inklusion› genannt wird: Schauspieler:innen mit Behinderung stehen auf der Bühne.», schreibt Magdalena Mayer in ihrem Beitrag (S. 6). Sie hat eine Probe von Kassandras Geheimnis besucht und u. a. Schauspielerin Iris Zeitlinger getroffen. Zeitlinger sieht im Spielen nicht nur etwas, das man auf die Bühne bringen kann. «Schauspiel kann auch helfen, sich zu fokussieren oder sich in andere hineinzuversetzen», sagt sie im Interview (S. 7).
Womit wir bei Empathie wären – der Versuch, sich in andere hineinzuversetzen – was wohl eine gute Methode ist, um ein komplexeres Bild der Gegenwart zu bekommen. Am Ende kommt dann vielleicht Solidarität heraus, je nach Sachlage. Oder einfach das Mitfühlen bei einem kurdischen Liebeslied, von dem Herr Hüseyin aka Mehmet Emir in seiner Kolumne erzählt (S. 25).
Text: Ruth Weismann
Coverfoto: Carolina Frank