Ausgabe 437 - 05/2017
Wohin wird uns der «Markt» noch führen?
Jetzt hat es eine «Wiener Institution» erwischt! Drei Tage nach dem Erscheinen dieser Ausgabe wird im Café Industrie die Abschlussparty gefeiert, nach einhundertdreijährigem Bestehen.Die Kunde vom Zusperren wurde bundesweit kolportiert. Wenn ein verrauchtes Gürtellokal schließt!? Es habe sich um einen «Traditionsbetrieb», gar um eine «Wiener Institution» gehandelt, war da zu lesen. Natürlich wurden auch die Gründe genannt, warum es nicht mehr weitergeht: Lärmbeschwerden, fehlende Betriebsanlagengenehmigung und vor allem fehlendes Geld. Na, dann braucht man sich nicht wundern, wenn man zusperren muss. Richtig, man braucht Kapital, und es gibt Rahmenbedingungen, also Gesetze und Verordnungen, die einzuhalten sind, doch jetzt haken wir ein, wir fragen, wer die Bedingungen stellt, wer das ökonomische Potenzial mitbringt, diese zu erfüllen, und schließlich, wem sie nützen? Jedenfalls nicht Ruth Binder, der Pächterin des Café Industrie, wie unser Lokalaugenschein ergeben hat (Seite 16). Einen Blick aufs obere Ende der Skala, auf die «Geschäftemacherei in der Stadt» wirft Martin Birkner für die «Wiener Wirtschaft» (Seite 11). Im Beitrag zu dieser Rubrik wird das von der ÖVP geliebte Modell der «marktkonformen Demokratie» – plus Nebenwirkungen – beschrieben.
Mit dem Anspruch, auf etablierte Regeln zu pfeifen, treten die Spieler_innen der «Wilden Liga» an. Sie kicken nicht gegen-, sondern miteinander, daher werden auch die Unparteiischen eingespart. Die Redaktion verdonnerte Hannes Gaisberger zum Besuch des Liga-Auftakts, da er diesen Ansatz in einer ersten Reaktion weniger «wild» als vielmehr «elitär» empfand. Ob unser Fußballreporter bei seiner Meinung geblieben ist, können Sie in der Blattmitte (Seite 20) nachlesen.
Das Buch «Imperiale Lebensweise» von Ulrich Brand und Markus Wissen (mehr dazu auf Seite 6) wird ein Neffe von mir, Student und bei einer großen NGO im Bereich Umweltschutz tätig, so wie ich ihn einschätze, von der ersten bis zur letzten Seite aufsaugen. Doch zum Café Industrie, in das ich ihn mal schleppte, ist ihm vor Ort nicht mehr als «schräg» eingefallen. Ich hoffe, ihm wird einmal klarer werden, dass ich dieses kleine Gürtelcafé nicht nur deswegen ausgewählt habe, weil es für uns beide am Weg gelegen ist …