Ausgabe 440 - 07/2017
Sich gschpian wia a Fisch
Die Wiese, auf der früher die schicken Kabinen des Arbeiterstrandbads standen, heißt jetzt «ArbeiterInnenstrand». Dort liegen die Wiener_innen flach auf ihren buntgemusterten Frotteeunterlagen oder stehen träge im Altarm herum und lassen sich das trübe Wasser um die sommerfaulen Hüften schwappen.
Covergrafik: Nanna Prieler
Baden, Liegen, Schlafen, Ballspielen, unbegründetes Stehenbleiben – alles erlaubt, alles gratis. Auf ein paar tausend Quadratmetern zeigt die Stadt vor, was sie können könnte: Freizeitallmende herstellen! Öffentlichen Raum für die Öffentlichkeit zugänglich machen! Hier gibt es keine Regulierungen, keine Ordnungsuniformierten, keine Konsumangebote. Selbst zum lebensnotwendigen Pommesholen muss man zur Romawiese vorradeln. Die einzige Infrastruktur ist ein Trinkwasserbrunnen. Und alle sind glücklich.
Umsonst oder wild Baden, nackert oder bekleidet, ist in Wien schon lange en vogue, stellt Anton Tantner (Seite 7, «Eine Stadt geht baden») fest. Ums Badengehen dreht sich ein großer Teil dieser Sommerausgabe. Alle Jahre wieder sind mit den ersten ernstzunehmenden Sonnenstrahlen die Auslagen der Trafiken voll mit heißen Tipps – Sommerdiät und Strandfigur sind die Stichworte, die vor allem eines freisetzen: Stresshormone. Mit der Psychotherapeutin Rahel Jahoda und der Poetry-Aktivistin Maira Caixeta haben wir uns für die Coverstory über das Recht auf einen in Ruhe gelassenen Körper unterhalten (Seite 6). Die Wiener Künstlerin Nanna Prieler hat dazu einen feministischen Klassiker in Bilder umgesetzt: «Wie du zu einer Strandfigur kommst? 1. Hab eine Figur, 2. Geh zum Strand.»
Getaucht und gekrault wird auch im Dichter Innenteil (ab Seite 37): Hans Bogenreiter entführt in die «Greane Au», wo Gefahr nur in Form aggressiver Schwäne lauert, Katharina Kleibel beobachtet Schiffe an der Donau, «die weiß Gott nicht blau ist», und Peter Paul Wiplinger ruft dazu auf, sich im Wasser zu «gschpian wia a fisch».
Baden gegangen, befindet Martin Birkner in der Wiener Wirtschaft (Seite 11), ist auch das Prinzip der Wiener Grünen, Alternativen in der Sozialpolitik zu fordern – die Mindestsicherungsreform ist da und sie ist ein Griff ins Klo. Nicht ins Bad, sondern eben aufs Klo geht schließlich Lisa Puchner für die «NachbarInnenstadt» auf Seite 23. Sie plädiert dafür, die von der «Musa latrinae» geküssten Poet_innen, die ihr Lesepublikum über Klowände erreichen, nicht durch abwaschbare Materialien an der Ausübung ihrer Kunst zu hindern.
Einen Sommer voller Toilettenpoesie & Fischgefühlen wünscht
Lisa Bolyos