Ausgabe 450 - 12/2017

Geraubter Schlaf

«Schlof radiert ois aus. Lebm geht wieda leicht», schreibt Peter Gstöttmaier (S. 37), einer der Gewinner beim Literaturpreis Ohrenschmaus.Dieser Bewerb für Menschen mit Lernschwierigkeiten wurde von Franz-Joseph Huainigg ins Leben gerufen. Personen mit einer humanitären Haltung, wie jene des ehemaligen Behindertensprechers und Nationalratsabgeordneten der ÖVP, sind in der neuformierten Volkspartei keine in Sicht. Bestes Beispiel dafür ist die Causa Unterhaltsgarantie. Die ÖVP raubt mit ihrer «Familienpolitik» den Alleinerzieher_innen seit Jahren den Schlaf. Und wo kein Schlaf, da kann auch nichts ausradiert werden. Julia Grillmayr begleitete Betroffene bei der Übergabe eines Offenen Briefes in die ÖVP-Zentrale (S. 6).

Einen Tag nach Redaktionsschluss startete der BUWOG-Prozess, einer der größten Wirtschafts(kriminal?)fälle (selbstverständlich gilt hier die Unschuldsvermutung) der jüngeren österreichischen Geschichte, und zugleich endet unsere Serie «Wiener Wirtschaft» (S. 13). Wir behandelten darin meist die kleineren Sauereien, die sich im alltäglichen Wirtschaftstreiben in Wien abspielen. Saisonal bedingt widmet sich im letzten Teil Martin Birkner, neben Clemens Staudinger Kurator und Autor der Serie, den Arbeitsbedingungen auf den Weihnachtsmärkten. Tausend Dank diesen beiden und MUCH, ihrem Illustrator, der die berichteten Unzulänglichkeiten immer mit klarem und gepfeffertem Strich visualisierte.

Die «Wiener Wirtschaft»-Serie erhält natürlich eine Nachfolgerin. Im neuen Jahr werden wir uns in jeder Ausgabe mit dem Thema Wohnen beschäftigen, denn die Veränderungen am Wohnungsmarkt sind in den letzten Jahren besorgniserregend gewesen – nicht nur für unsere Verkäufer_innen, die per se Hauptleidtragende sind – auch schon für Durchschnittsverdiener_innen. Mit der neuen Regierung, die mit dem Erscheinen dieser Ausgabe angelobt sein dürfte, muss man auch für den Sektor Wohnen das Schlimmste befürchten: Stichwort BUWOG-Verkauf, eine Glanztat von Schwarz-Blau I.

Jetzt aber zu erfreulicheren Angelegenheiten. Obwohl die Straßenkolportage der Hauptzweck des Systems Augustin ist, bieten wir auch Abos an, nämlich für potenzielle Leser_innen, die in ihrem Aktionsradius auf keine Verkäufer_innen stoßen können. Neu ist dabei das kleine Präsent, das wir künftig einer Abo-Bestellung mitgeben (S. 15).

Bevor wir hier abschließend noch eine Weltneuheit präsentieren werden, möchten wir uns noch recht herzlich bei Quentin’s Kaffeebar, die Anfang Dezember einen Benefizreigen für den Augustin durchführte, bedanken. Wir bleiben beim Kaffee und kommen endlich zur Weltneuheit, zum «Augustin-Kaffeetscherl» … wos’n sunst! Wir haben unser Portfolio erweitert und bieten ab sofort Kaffee an. Direkt bei uns im Haus erhältlich oder über www.augustin.or.at/shop zu bestellen. Das Kaffeetscherl ist ein Viertelkilo-Sackerl (ganze Bohne oder gemahlen) und mit acht Euro sauteuer, dafür auch saugut, immerhin handelt es sich um einen Kuba Serrano Lavado, der hier in Wien von der

Weihnachtsschein

Ein Gedicht von Anna MaltschnigWeihnachtsschein

Weihnachten

als Trug und Schein.

Es scheint

nicht recht zu klappen.

Zu verkappt sind wir,

zu wenig glitzern die Kugeln,

um die Leuchtkraft

der Vergangenheit

abzuwenden.

Zu la… weiterlesen

De guade blaue Schmierfettn

Ein Text des Ohrenschmaus Literaturwettbewerbs 2017

Wenn’s Schmierfett gfroren ist, kann ich´s schwer ausm Rörl rausdrückn. Wenn’s wärmer wird, kann man das Fett wieder leichter aus der Spritze rauspressn.

Das Walzenlager hat die Kraft beim Reifen nicht mehr ausgehalten – zrissen hot´s as! Der Kolleg… weiterlesen

Jung sein

Chilip in Druk Yul (4)

Am Rückweg vom übergroßen Buddha Dordenma, der würdevoll über das Thimphu-Tal wacht, finde ich meine Straße gefüllt mit Musik. Kein Popgesang aus dem Radio, nicht zeremonielles Trommeln und Gesänge aus dem nahen Tempel.

Foto: Namgay Tshering
Hellhör… weiterlesen

Gemeinschaftsgarten im Winter

Es liegt noch teilweise Schnee. Kahl ist es, die Bäume rundherum sind wie tot, manche winterharten Pflanzen sieht man trotzdem. Die sind grün. Ja, grün! Ein Hoffnungsschimmer?
Der Rest ist jedenfalls verdorrt, abgestorben, von der Winterkälte vernich… weiterlesen

Kein Jahresrückblick

Gottfrieds Tagebuch

1. 12.

Der Gottfried hat sich einen Adventkalender gegönnt und zwar zum Preis von nur noch 1,79 Euro. Da wird er dann täglich ein winziges Stück Schokolade vorfinden, passend zum riesigen Mann, der er ist.

Dabei fällt mir ein, dass es eher selt… weiterlesen

Kinder, Küche, Knete

Unterhaltsgarantie für Alleinerziehende

Fast jede zweite Ein-Eltern-Familie in Österreich ist armutsgefährdet.  Das liegt oftmals auch daran, dass der getrennt lebende Elternteil keine Alimente bezahlt. Alleinerziehende fordern seit Langem eine Unterhaltsgarantie und richten dazu nun … weiterlesen

Die Rückeroberung der Zukunft

Warum uns Minen im Kongo jucken sollten

Die diesjährige Ausgabe des Festivals «Literatur im Herbst» eröffnete Milo Rau. Der Schweizer Filmemacher, Theaterregisseur und Hörspielautor zählt zu den explizit
politischen Künstler_innen, wovon auch seine Eröffnungsrede ein Zeugnis abgibt…. weiterlesen

Ältere Arbeitslose im Mantel

Die Illusion der Belohnung für Leistung

Die 20.000 gemeinnützigen Jobs für Altersarbeitslose, die Ex-Bundeskanzler Kern schaffen wollte, waren zumindest eine Chance für ein paar Hundert. Kurz und Strache werden diese Möglichkeit wohl bald abdrehen. Kerstin Kellermann (Text) hörte sich… weiterlesen

Grünes Fliegen – Eine Heuchelei

Über den modernen Ablasshandel mit Emissionsrechten

Fliegen ist die klimaschädlichste Transportform. Dennoch will die ­Luftfahrt-Industrie stark wachsen. «Klimaneutral», sagt sie. Mit Strategien, die NGOs als Greenwashing kritisieren. Von ­Peter A. Krobath (Text & Foto).Mit dem Kauf von sogen… weiterlesen

Füße kalt, Börsl leer

Arbeitsplatz Weihnachtsmarkt

Weihnachtsmärkte haben uns in der «Wiener Wirtschaft» ja schon in manchem Jahr beschäftigt. Diesmal aber soll es nicht um Gentrifizierung (siehe Augustin 426) oder parteinahe Veranstaltervereine (Augustin 412) gehen, sondern um die dortigen Arbe… weiterlesen

Geht’s mich was an? Wachen wir auf!

Es betrifft uns doch noch gar nicht … Es passiert ja nur den anderen. Den Geflüchteten. Denen wird das bisschen Geld gekürzt, das sie zum Leben brauchen. Die, nicht wir, werden von der Polizei im Morgengrauen aus den Betten gerissen. Oder, wenn sie e… weiterlesen

Endlich wieder Unbotmäßiges

Enzyklopädisches Meisterstück ohne alphabetische Reihung

Mladen Savić, 38-jährig, aus Jugoslawien stammend, 1985 mit seinen Eltern nach Österreich ausgewandert, in Kanada zu einem Philosophen der Linken gereift, seit 2007 wieder in Wien lebend, hat ein bemerkenswertes Buch geschrieben.Es ist bemerkenswert,… weiterlesen

Dannebergpredigt: Missbrauchtes Brauchtum

O Schreck, der Nikolo ist weg! Hat etwa der böse Krampus dem Heiligen Nikolaus den Garaus gemacht? Ein atheistischer Eiferer? Oder ein «Muselman»?

«Nikolo-Hausverbot: Zwettl wehrt sich», so der Aufmacher der «Bezirksblätter»(Ausg. 48), die gratis an… weiterlesen

Großstadtdschungel im Verborgenen

Im wortwörtlichen Sinne: Gras über ein Unternehmen wachsen lassen

In einem verbauten Gebiet in Wien entdeckte Jan Arrocaba (Text) ein Naturjuwel, wie man es in diesem Grätzl wohl kaum vermuten würde. Er machte sich mit seinem Sohn auf Foto-Pirschgänge.In der unmittelbaren Umgebung meiner Wohnung – beileibe nic… weiterlesen

Libertalia war eine Utopie

Einst Pirateninsel, heute Tourismusziel: Sainte Marie im Indischen Ozean

Mit zeitlichem Abstand werden Piratengeschichten gerne romantisch verklärt. Markus Schauta (Text und Fotos) besuchte eine ehemalige Piratenhochburg und rückt eine Erzählung über «Libertalia» zurecht.Zwischen den Palmen hängt der Nebel, grau das … weiterlesen

Bahnhof in der roten Zone

Über Bahnhofsrestaurationen (3/5)

Vor 14 Jahren war Graz europäische Kulturhauptstadt. Ungefähr genauso lang gibt es am dortigen Hauptbahnhof keine klassische «Bahnhofsreste» mehr – bedauert Chris Haderer (Text & Fotos).Der Grazer Hauptbahnhof ist ein Ameisenhaufen. Laut ÖBB… weiterlesen

«When I was young»

Lokalmatador

Eric Spitzer-Marlyn war in seinem Leben öfters ein Fremder. Wovon auch seine Musik erzählt. Von Uwe Mauch (Text) und Mario Lang (Foto)In the days when I was young – didn’t think about the future – cause we had no yesterday – in the days when I w… weiterlesen

Wiederbelebung

Ein VW-Käfer lässt sich nicht unterkriegen

Kollegin Lisa Bolyos veröffentlichte in diesem Ressort zu Jahresbeginn eine Reportage über Addis Abeba, die äthiopische Hauptstadt, ohne dabei ein Wort über den VW-Käfer zu verlieren!?Eher zufällig stieß der Ressortverantwortliche bei einem Web-Ausfl… weiterlesen

Zuschauer_in sucht Frau

Feministisches Serien-Binge-Watching

Von Sci-Fi bis zur durchgeknallten Comedy: Wer sich beim TV-Konsum ein vielseitigeres Frauen- und Menschenbild wünscht, kann derzeit bei amerikanischen und englischen Serien aus dem Vollen schöpfen. #metoo verifizierte alle Vorurteile, die es üb… weiterlesen

Ein Gegengewicht schaffen

Renate Welsh-Rabady beging am 22. Dezember ihren 80. Geburtstag

Die Präsidentin der IG Autorinnen Autoren spricht im Interview mit Cornelia Stahl über Ängste, Sprachlosigkeit und das Gefühl, aus dem Gleichgewicht zu geraten. Mit ihren Texten möchte sie ein Gegengewicht schaffen gegen Formen der Angstmacherei… weiterlesen

Von Dr. Caligari bis Aloys

Retrospektiven im Filmarchiv: Georg Friedrich und Conrad Veidt

Kaum zu glauben, Georg Friedrich ist schon 51 – höchste Zeit, dem Wiener Schauspieler eine Filmschau zu widmen, immerhin hatte er 1983 seine erste TV-Rolle im Tatort (als Neonazi in Inspektor Mareks letztem Fall), sein Leinwand-Debüt gab Friedrich 19… weiterlesen

Sinnlose Lebens-Führung

Keine Zukunft? Ein österreichischer Science-Fiction-Film

Eines Tages läutet es an der Tür des schicken Eigenheims der Familie Dworsky. Draußen steht einer im grauen Staubmantel, orangenen Socken und einem Dauergrinsen im Gesicht, stellt sich dem Hausherrn vor als Gregor Fainmann (wunderbar besetzt mit Flor… weiterlesen

«Auf coole und witzige Art»

Angelika Niedetzky

Angelika Niedetzky ist Kabarettistin, Schauspielerin und jetzt auch ­Augustin-Testimonial. Ruth ­Weismann (Text) und ­Gerhard Schmolke (Foto) ­trafen sie an einem Wiener Wintertag.Für diesen Outdoor-Fototermin haben wir uns (unfreiwillig) den gr… weiterlesen

Miteinander wohin wandern

Musikarbeiter unterwegs … mit 5K HD am End’ vom 17er-Jahr

Das Kind ist krank, aber nicht schlimm. Das gibt Zeit. Wegen «nicht schlimm», sogar Leichtigkeit. Reden beim Frühstück. Über Nerdtum, über den Fokus des Kindes auf Playstation-Spiele und Youtube-Kanäle. Als ich zu seinem gescheiten Gesagten eine Musi… weiterlesen

Immer unterwegs

Bibliotick

Wäre es nach ihren Eltern gegangen, sie wäre wohl Pianistin geworden. Stattdessen spielte die 1878 in Kalifornien geborene Maud Parrish Banjo. Und beginnt mit 17 Jahren zu reisen.Damals ist die Welt noch kein «globales Dorf», nicht nur die Kommunikat… weiterlesen

Höhlenfernsehen mit Trump und Kim Jong-un

Orwell im Volkstheater

Eine Durchsage bittet das Publikum, die Handys eingeschaltet zu lassen, damit der Datenfluss weitergeleitet werden könne. George Orwells «1984» auf der Bühne des Volkstheaters versammelt Kim-Jong-un-Klone in beigen Uniformen, die Trumps «alternative … weiterlesen

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