Ausgabe 457 - 04/2018

Von der Freiheit, zu kritisieren

Damit, den «Blickwinkel ändern» und den «Mund aufmachen» zu wollen, wirbt aktuell die Tageszeitung Der Standard, und sie tut das auf ihre Art. Den laufenden Streik der französischen Eisenbahner_innen betitelte das Blatt Anfang April etwa als Kampf «für lebenslangen Kündigungsschutz.Anstatt die neoliberale Agenda des französischen Staatspräsidenten Emmanuel Macron ins Visier zu nehmen, skandalisiert man in der Vorderen Zollamtsstraße lieber den Widerstand gegen den Angriff auf wohlerworbene arbeits- und sozialrechtliche Absicherungen. Wer jemals etwas über das Wesen sogenannter «Qualitätsmedien» wissen wollte, sollte den Standard lesen.

Der AUGUSTIN findet Arbeitskämpfe und überhaupt alles, was das Gerüst der herrschenden Ordnung ein wenig ins Wanken zu bringen versucht, hingegen ziemlich super. Und Kritik. In der vorliegenden Ausgabe etwa die am Datenmissbrauch. Anton Tantner und Liese Kuttin haben dessen Ausprägungen unabhängig voneinander in historischer (S. 8) und aktueller Perspektive (S. 10) untersucht. Hannes Gaisberger unterhielt sich indes mit dem Journalisten, Künstler und Sturm-Graz-Aficionado Martin Behr – das Gespräch lesen Sie auf Seite 22. Auf den Seiten 26 und 27 porträtiert Veronika Krenn die Performerin und Choreografin Veza Fernández.

Übrigens, auch der AUGUSTIN fährt dieser Tage eine Kampagne. Von Alfred Dorfer über Steffen Hofmann und Lotte Tobisch bis zu Stefanie Sargnagel werben derzeit allerlei Prominente unentgeltlich für den Weiterbestand dieses Zeitungsprojekts in seiner jetzigen Form. Darüber, wo der AUGUSTIN erhältlich ist, informiert neuerdings zudem ein virtueller Stadtplan, der die Standplätze seiner Verkäufer_innen nachvollziehbar macht – diejenigen im 7. und 8. Bezirk stellen wir in diesem Heft auch auf Seite 9 vor.

Warum das wichtig ist? Im Gegensatz zu allen anderen Printmedien dieses Landes von relevanter Reichweite finanziert sich der AUGUSTIN zu satten 70 Prozent aus dem Zeitungsverkauf. Öffentliche Förderungen und Inseratengeschäfte mit privaten Unternehmen, denen längere Arbeitszeiten, sinkende Löhne und die Abschaffung der AUVA Herzensangelegenheiten sind, überlassen wir dagegen gerne anderen.

Der AUGUSTIN bleibt lieber unabhängig und will sich die Freiheit, die herrschenden Verhältnisse nach Belieben zu kritisieren, weiterhin bewahren. Dazu ist es notwendig, die Zeitung nicht nur zu kaufen, sondern sie auch mitzunehmen – das unterstützt das Gesamtprojekt, hält den Geist wach und macht ihn widerständig. Und wenn der eigene Lektürebedarf gedeckt ist, findet sich bestimmt jemand in der Vorderen Zollamtsstraße, dem oder der man seinen AUGUSTIN – quasi als volksbildnerische Maßnahme – in die Hand drücken kann. Der Bedarf erweist sich täglich.

«Der Staat bricht auf»

Mit den Flüchtlingsbewegungen der letzten Jahre sind «Grenzen» wieder in den politischen Fokus gerückt

Im eben erst erschienenen Buch Grenzen wirft Andrea Komlosy einen historischen Blick auf diese vom Menschen gemachten Trennlinien. Über das Grenzregime der EU, den erodierenden Staat und darüber, warum die Forderung nach Grenzenlosigkeit kapital… weiterlesen

Geheimes Ziffernkabinett

Die Postüberwachung begann in der Stallburg

Geht es nach der Bundesregierung, erlebt das Briefgeheimnis in Bälde eine massive Aufweichung. Anton Tantner (Text und Foto) hat das an Staatskanzler Metternich und die übelsten Traditionen habsburgischer Geschichte erinnert. Eine Recherche.Die … weiterlesen

Datenschätze

Über 50 Millionen Nutzer_innendaten hat sich das Politwerbeunternehmen Cambridge Analytica unerlaubt besorgt

Über 2,7 Milliarden Menschen weltweit nutzen Facebook. Ohne Erlaubnis, aber mit Wissen des Social-Media-Giganten hat Cambridge Analytica die Datensätze systematisch für Wahlkampfzwecke verwendet – vornehmlich für rechte politische
Positionen. … weiterlesen

Sozialmissbrauch als Aufhänger

Zur Erholung nach Mallorca?

Die Kürzung der Mindestsicherung und die Abschaffung der Notstandshilfe sollen die Arbeitslosenzahlen senken. Ist Österreich ein Land der freiwillig Arbeitslosen? Alban Knecht ist der Frage nachgegangen und in Deutschland auf Antworten gestoßen…. weiterlesen

Selber tun

Wie man Wohnraum der Spekulation entzieht

Das Netzwerk habiTAT unterstützt selbstverwaltete Wohnprojekte. In Wien etwa die Initiative SchloR, welche auf einem stillgelegten, 3000 Quadratmeter großen Gewerbegebiet in Simmering einen Freiraum für Kunst und Kultur etablieren will. Christia… weiterlesen

Keine Definitionen, Geschichten

Rassismus und Antirassismus erscheint zum richtigen Zeitpunkt

Warum? Nicht nur weil offen rassistische Parteien in der Regierung sitzen, sondern weil die Rassismusforschung sich auch 2018 weitestgehend uneinig darüber ist, welche Phänomene als Rassismus bezeichnet werden können und welche nicht.
Das dem so ist,… weiterlesen

Geht´s mich was an? Aktion scharf

Polizei und Magistratsmitarbeiter_innen veranstalteten zu Ostern wieder eine «Aktion scharf» gegen Bettler_innen in Wien. «Ziel der behördenübergreifenden Aktionen war es, durch sofortiges Abstrafen wirkungsvoll und nachhaltig gegen das vermeintlich … weiterlesen

Dannebergpredigt: Ab ins Heim

Diese Zeiten sind zum Glück vorbei: Eltern, am Ende ihrer erzieherischen und emotionalen Fähigkeiten, drohten manchmal ihren Sprösslingen, sie ins Heim zu stecken, wenn sie «nicht brav» waren. «Du kommst ins Heim» war eine Warnung, die sowohl Überfor… weiterlesen

Lamesaleikum im Hort der Lameisen

Zehnjahresvertrag für den Standort Sonnenpark Sankt Pölten

Der Kunst- und Kulturverein Lames bleibt im Sonnenpark. Der rechtlose Zustand der Duldung ist vorbei. Nun wurde ein Pachtvertrag für die nächsten zehn Jahre unterschrieben. Und schon droht die Vereinnahmung durch die Politik. Eine Bestandsaufnah… weiterlesen

Sozial im Titel

Lokalmatadorin Judith Pühringer

Judith Pühringer vermittelt zwischen Welten, auch Arbeitswelten. Wider den Widerspruch. Von Uwe Mauch (Text) und Mario Lang (Foto).Die Turnhalle im Haus Herklotzgasse Nr. 21 im 15. Wiener Gemeindebezirk: Wo früher einmal die Kinder eines jüdisch… weiterlesen

Romeo Void

Alfred schläft auf der Luftmatratze, denn er liebt den Luxus. Weil er den Luxus liebt, schläft Alfred auf einer Luftmatratze. Die Matratze ist weich und gibt bei jeder seiner Bewegungen im Schlaf oder vor dem Einschlafen nach, auch hat sie ihren typi… weiterlesen

Aprilwankschwankend

Ein Gedicht von Nives Kramberger Aprilwankschwankend

 

Aprilwankschwankend der Tag,

Morgensonnenstrahlen mischen sich

Mit Wolkenungeheuern.

Das Blut fließt in Strömen

– verlorene Hoffnung.

Müdmenschen halten ihre grauen Gesichter … weiterlesen

Ein Haar in meiner Suppe

Gfrieds Tagebuch

22. 3.

Es ist ein Phänomen. Und zwar ein flüchtiges. Manchmal frage ich mich, wohin die zahlreichen Kopfhaare verschwinden, während ich des Katers Haare allüberall vorfinde.

Grafik: Carla Müller

Also, menschliche Haare unterliegen einem gewi… weiterlesen

Fragilität als Ermächtigung

Alles, was man schmeckt, sieht und berührt

Wenn Riot Girrrls tanzen. Die neue Arbeit der Tänzerin und Choreografin Veza Fernández Wenn Auge Mund wird erprobt ein neues queer-feministisches Bild der Ballerina und reflektiert dabei über alternative Formen von Gemeinschaft. Veronika Krenn (… weiterlesen

«Anders, ganz anders»

Ein kritischer Blick auf die Republik

100 Jahre Republik Österreich. In 24 Kurzfilmen und acht Themenblöcken verhandelt der partizipative Ausstellungsrundgang shaping democracy – the republic in 24 frames per century die jüngere Geschichte Österreichs. Christian Egger hat sich mit d… weiterlesen

Die Gans ist ihr nachgeflogen

Vorab-Besprechung

Etwa 3500 Frauen waren wegen des «Verkehrs mit Fremdvölkischen» inhaftiert, der verbotene Umgang wurde zum Massendelikt im Deutschen Reich. Das Mitte April erscheinende Buch Das Selbstverständliche tun widmet sich der Geschichte der Salzburger B… weiterlesen

Am Rand

Musikarbeiter unterwegs … Amerika, Bregenz, Songtexte und Novellen

Drei Sekunden Jetzt heißt der neue Roman von Hans Platzgumer, lange einer der produktivsten heimischen Musiker. Sein Weg von der Gitarre zum Schreiben. Von ­Rainer ­Krispel (Text) und Mario Lang (Foto).In der Auslage meiner Erwerbsarbeit, einem … weiterlesen

Einbetonierte Luft

Das 21er Haus zeigt Arbeiten der Bildhauerin Rachel Whiteread

Damals war es eine fürchterliche Aufregung. Ohne Simon Wiesenthal würde es das Mahnmal von Rachel Whiteread am Wiener Judenplatz wohl gar nicht geben. Der kämpferische Überlebende Simon Wiesenthal hatte 1994 gegen Hrdlickas Mahnmal gegen Krieg und Fa… weiterlesen

Sozialutopie als Abenteuer

Bibliotick

Mit seinem 1916 erschienenen Romanerstling Die Welt ohne Hunger gelang Alfred Bratt ein internationaler Bestseller. Die Geschichte des jungen Chemikers Alfred Bell, der eine gesellschaftliche Reformation mittels eines von ihm erfundenen Nahrungspräpa… weiterlesen

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