Ausgabe 460 - 05/2018
Augustinische Werte
Eigentlich war für diese Ausgabe ein Interview mit Michael Häupl geplant. Zugegeben, ein Interview mit dem Schonbald-Altbürgermeister von Wien stellt nicht gerade die originellste Art von Zeitungsbeitrag dar, mindestens jedes zweite periodisch in Österreich erscheinende Medium hat Häupl anlässlich seines Abschieds als LH und BM der Bundeshauptstadt befragt (wobei, wenn Sie wüssten, welch ausgeklügelte Fragen sich unser Kollege Samuel schon überlegt hat …).
Wie auch immer, ein Gespräch mit dem scheidenden Amtsträger kam nicht zustande, Herr Häupl sagte aus terminlichen Gründen ab. Wir ignorieren den Abgang von Wiens Gemeinderatsspitze trotzdem nicht: Samuel Stuhlpfarrer zieht Bilanz der fast 24-jährigen Amtszeit Häupls auf Seite 6.
Eine Alternative wäre gewesen, sich die Antworten unseres Doch-nicht-Gesprächspartners einfach vorzustellen. Ein Zeitungsgeschäftsmodell, das in einer der frühen Folgen der satirischen Mystery-Fantasy Podcast-Serie Welcome to Night Vale vorgestellt wird: Das stets in finanziellen Nöten steckende Night Vale Daily Journal kündigt an, aus Gründen der Kostenersparnis völlig auf gedruckte Ausgaben zu verzichten und stattdessen eine imaginierte Edition des Blattes zu vertreiben – «Anstatt unsere Kunden an veraltete Formen von Tinte auf Papier zu fesseln, erlauben wir ihnen die Nachrichten, die sie interessieren, auszuwählen, indem sie sich vorstellen, was immer sie wollen», erklärt die Herausgeberin. Von solchen Maßnahmen sieht der AUGUSTIN vorerst einmal ab, wir sind immer noch überzeugt davon, dass unsere 48 Seiten Berichte, Reportagen, Kommentare, Interviews, Terminavisos, Gedichte, Cartoons, Geschichten, Grafiken und Fotos auf jeden Fall 2,50 Euro wert sind.
Coretta Kurth ist unser Blatt sogar etwas mehr wert, im Augustinerin-Porträt auf Seite 5 erklärt die AUGUSTIN-Abonnentin und -Liebhaberin, warum. Ein wertvolles Merkmal dieser Straßenzeitung ist es, dass wir kein Interesse daran haben, Daten unserer Kundschaft zu horten oder überhaupt einzusammeln. Vor ein paar Jahren haben wir dieses Faktum in einem Werbespruch verbraten: «Das einzige Social Network, dem deine Daten vollkommen egal sind.» Im vollkommen gegenteiligen Modus arbeiten Kreditscoring-Firmen, die im Auftrage anderer Firmen die Kreditwürdigkeit prospektiver Kund_innen prüfen. Lise Kuttin hat sich mit den dubiosen und diskriminierenden Methoden der Scorer beschäftigt (S. 8). Die riesigen Datenmengen, die dazu meistens übers Internet gesaugt werden, können nur über elektronische Datenverarbeitung analysiert werden. Von Künstlicher «Intelligenz» kann dabei in keiner Weise die Rede sein, denn Intelligenz bedeutet wörtlich so viel wie zwischen den Zeilen lesen, und das kann das allerausgefeilteste Computerprogramm noch nicht einmal ansatzweise. Wir wünschen Ihnen jedenfalls viel Vergnügen bei dem, was Sie in und zwischen unseren Zeilen lesen!
P. S.: Noch eine ganz eindeutige Botschaft: Wir laden herzlich zum AUGUSTIN-Hoffest am 8. Juni! Info 46 Seiten weiter hinten.