eingSCHENKt
Bist eine Schwuchtel?, fragt der 15-Jährige den Gleichaltrigen beim Blick auf dessen Converse-Schuhe. Bist deppert, fährt ihn der an, was hast? Gute Frage. Converse-Träger haben etwas, was er nicht hat: Eltern mit Geld und höherer Bildung, AHS und postmaterialistische Gutmenschen-Werte wie Umwelt und Toleranz. Man hört Green Day und gerne FM4. Sind dir deine Lacoste Schuhe nicht peinlich?, holt Converse zum Gegenschlag aus. Des Lacoste-Trägers Hintergrund sind Eltern mit wenig Geld und Bildung, er beginnt grad eine Lehre, muss Verantwortung im Job übernehmen und früher von den Eltern ökonomisch unabhängig sein. Man hört Sido und gerne Ö3.
Alles Zufall? Die feinen Unterschiede, die gleichzeitig auch die großen sind?Hey, kleiner Mann, deine Armut kotzt mich an. Hast du keinen Vater, keine Mutter, die was kann?“ Das singen Aggro Grünwald, Schnösel-HipHopp aus München. Wir hoffen, der Song ist Satire. Kann ja nicht ernst gemeint sein, wenn sich diejenigen mit Villa, fettem Konto, Einfluss und Eliteschule von der Mutter in Substandardwohnung bedroht fühlen, die mit dem McJob vor der Entscheidung steht, zahlt sie jetzt die Krankenversicherung, die Miete oder die Schulsachen für die Kinder?
Verdächtig ist, dass sich hinter dem Projekt auch allerhand Youngsters aus der High Society um Nachwuchs-Aristokraten des Hauses Habsburg und Wittelsbach tummeln. Die Armutskotzer rappen vor dem Hintergrund zunehmender sozialer Ungleichheit. Fragen nach sozialem Ausgleich ist dummerweise immer schwerer auszuweichen. Da schadet es nicht, sich öffentlich des eigenen sozioökonomischen Status zu versichern. Und dass man was Besseres ist. Ob ernst oder lustig. Im postmodernen Zweifelsfall ist satirisch immer cooler.
Aggro Grünwald ist kein Zufall. Überhaupt und auch der Name nicht. Beim Label Aggro Berlin war Gangster-Rap von Bushido oder Sido zu Hause. Alle aus familiär und ökonomisch prekären Verhältnissen. Texte für aggressive junge Männer und die, die es gern wären. Auch hier ist der Hintergrund ein sozialer: Keine Jobs, von denen man leben kann, Hartz IV und die damit verknüpften Erfahrungen von Demütigung und Kränkung. Bushido ist mittlerweile auch schon Satire. Die street credibility muss sich der millionenschwere Rapper mit viel Aufwand selbst inszenieren.
Zurück zu Converse und Lacoste. Übrigens wahre Geschichte, erlebt am Jugendlager vor ein paar Wochen. Im Laufe des Lagers haben sich die feinen Unterschiede, die die großen anzeigen, aufgeweicht. Für die Umwelt und gegen Armut ist der eine wie der andere. Und Verantwortung statt Hotel Mama können alle übernehmen. Schwächen und Verletzungen hat auch jeder. Es passiert nichts, wenn man sie zugibt. Auch die CDs sind herumgegangen. Was bleibt: Gemeinsames Jugendlager und segmentierter sozialer Alltag sind zwei Paar Schuh.