Balancieren für die Selbstbestimmungtun & lassen

Biografische Erzählung: Coming of Age

Die Journalistin Nada Chekh, 28, ist im Wiener Gemeindebau in ­Favoriten aufgewachsen. In ­ihrem Buch Eine Blume ohne Wurzeln. Wie ich Selbstbestimmung zwischen Doppelleben und Doppelmoral fand beschreibt sie das Balancieren zwischen den muslimischen Vorstellungen ihrer Eltern und deren Community und ihrem eigenen Drang zu einem selbstbestimmten Leben.
Schon als Kind nutzt Chekh das Tage­buchschreiben als eine Art Flucht aus ihrer begrenzten Wohnung in eine freie Gedankenwelt, später wird sie Kultur-Ressortleiterin des Magazins biber. Ihr Älterwerden ist vom Hinterfragen der Moralvorstellungen, die ihr aufgedrängt werden, geprägt. «Es fühlte sich ­immer ein wenig danach an, als hätten die ­Wände Augen. Egal, wo ich hinging, ich lief Gefahr, gesehen zu werden.»
Die Autorin beschreibt mitreißend, wie es ihr gelingt, ihren eigenen Weg zu finden, und spricht dabei auch die schmerzhaften Seiten dieses Weges offen an. Da sie auch psychische Probleme und Selbstverletzung thematisiert, sollte man das Buch vorsichtig oder mit einer Vertrauensperson gemeinsam ­lesen, falls man sich von diesen Themen getriggert fühlt.
Nada Chekh schafft den Balanceakt zwischen ungeschönten Erfahrungen, Kritik an patriarchalen Systemen sowie versöhnlichen Geschichten wie der ­Liebe zur Zubereitung arabischer Speisen, die sie mit ihrer Mutter teilt.

Nada Chekh: Eine Blume ohne Wurzeln. Wie ich Selbstbestimmung zwischen Doppelleben und Doppelmoral fand
Haymon 2023
224 Seiten, 17,90 Euro