«Fair und sensibel»vorstadt

Lokalmatador

Josef Böck ist ein Kriminalkommissar, der seit Jahren – unbeirrt – auf das Miteinander setzt. Von Uwe Mauch (Text) und Mario Lang (Foto)

Derzeit macht ihm eine neue Form der Kriminalität zu schaffen. Erzählt Josef Böck, der in leitender Funktion für das Landeskriminalamt Wien ermittelt. Es sei kein schönes Szenario: Zwölfjährige würden von ihren erwachsenen Begleiter_innen gezwungen, in Stiegenhäuser zu schleichen, dort Wohnungen auszukundschaften und – sofern sich die Gelegenheit bietet – einzubrechen.
«Eine perfide Strategie», sagt der Oberst, der mit seinem Team versucht, dieses relativ junge Phänomen in den Griff zu bekommen. «Manchmal gelingt es unseren Leuten, die Einbrecher_innen auf frischer Tat zu ertappen.» Doch weil diese minderjährig sind, müsse man sie nach wenigen Stunden an eine Kinderübernahmestelle übergeben. «Dort dauert es meist nicht lange, bis die Hintermänner auftauchen und die Kinder erneut in ihre Gewalt bringen.» Was zu der Frage führt, warum man weder bei der Polizei noch beim Jugendamt den offensichtlich Schutzlosen helfen kann.

Zur Deeskalation.

Josef Böck, den Kolleg_innen «Joe» und Bekannte «Pepi» rufen, hat Erfahrung mit neuen Herausforderungen: Er war zu Beginn der 2000er-Jahre einer der ersten Polizist_innen in Wien, die sich bei Menschen mit dunkler Hautfarbe als Helfer_innen vorstellten. Während Krawallpolitik, Krawallmedien und auch Krawallkolleg_innen in erster Linie neue Feindbilder schufen, folgten sie dem Vorbild der Hamburger Polizei, die ein Modell zur Deeskalation entwickelt hatte.
«Mit fachlicher Unterstützung der Gesellschaft für bedrohte Völker», erinnert sich Josef Böck, «gingen wir aktiv auf die afrikanische Community zu.» Nach mehreren gemeinsamen Veranstaltungen wurde der Verein Fair und sensibel gegründet, dessen Obmann Böck heute noch ist.
Für seinen vermittelnden Einsatz bekommt der «Kiebara» nicht nur Applaus. Für die einen ist er zu sehr, für die anderen zu wenig Uniformierter. Speziell bei jenen Kolleg_innen, die es auch auf afrikanische AUGUSTIN-Verkäufer_innen abgesehen haben (die Redaktion hat in den vergangenen Jahren viele Polizeiübergriffe dokumentiert, Anm.), dürfte das Motto «fair und sensibel» nicht sehr beliebt gewesen sein.
Doch Gegenwind hat einen wie ihn noch nie umgeworfen. Einer, der mit dem Fernsehkommissar «Trautmann» nicht nur die Statur, sondern auch den Spruch teilt, bleibt bei seinem Credo als Polizist: «Wir müssen uns um ein friedvolleres und menschlicheres Miteinander bemühen.»

Ein «Mistelbacher».

Das soziale Engagement habe er seinen Eltern und Großeltern zu verdanken, erklärt Josef Böck, der in einem kleinen Ort im Bezirk Mistelbach, an der Grenze zur damaligen Tschechoslowakei, aufgewachsen ist.
Nach der Niederschlagung des «Prager Frühlings» im August 1968 war die Angst sehr präsent, auch in seiner Ortschaft. Beim damals Elfjährigen prägen sich die Worte seines Vaters ein: «Um Gottes Willen! Jetzt geht der Krieg wieder von vorne los.»
Einigen wenigen Nachbar_innen gelang die Flucht – durch den Todesstreifen am «Eisernen Vorhang». Der «Pepi» hört heute noch, wie sie sein Vater willkommen heißt: «Ich kann euch nicht viel bieten. Ich habe selbst nicht viel. Aber als Ortsvorsteher möchte ich euch unterstützen, wo und wann immer ich kann.»
Nach der Matura in einem Internat in Hollabrunn und dem Bundesheer bewirbt sich Böck Mitte der 1970er-Jahre bei der Polizei. Einer Tradition folgend: Schon sein Onkel war Ordnungshüter – so wie viele junge Männer aus der Mistelbacher Gegend, die nach 1945 in der Großstadt anheuerten, weshalb der Volksmund in jedem Polizeischüler einen «Mistelbacher» erkennen wollte.
Gerne erinnert er sich an die ersten Jahre als Streifenpolizist im Wachzimmer in der Blindengasse: «Dort haben uns die Älteren eingewiesen, Verhaltensregeln erklärt, Lokale gezeigt und den Hausmeistern vorgestellt. Da war noch mehr Zeit für Gespräche mit der Bevölkerung.» War auch notwendig: «Es gab ja als Beweismittel weder Fingerabdruck noch DNA-Abgleich.»
Als Kriminalkommissar lernte er dann, mit den Schattenseiten der Großstadt umzugehen: Einbruch, Mord, Totschlag – sein tägliches Geschäft. Und nicht immer halten sich Kriminelle an geregelte Dienstzeiten. Daher vergisst der «Pepi» nicht, sich bei seiner Frau und seinen Kindern für deren Verständnis zu bedanken.
Sehr viel Zeit im Dienst verbrachte Josef Böck im Jahr 2005 – nach dem Tsunami in Ostasien: «Wir konnten dank guter Zusammenarbeit aller involvierter Behörden und Hilfsorganisationen die Leichen aller 87 Österreicher_innen finden und identifizieren. Die Angehörigen waren uns dafür sehr dankbar. Mit einigen sind über die Jahre Freundschaften entstanden.»
Die Lehre, die der Ermittler daraus zieht: «Die Kooperation aller Einsatzkräfte und der gute Draht zu Bevölkerung und NGOs sind in einer Stadt, in der ich leben möchte, enorm wichtig.» Mehr Informationen über den Verein unter: www.fairundsensibel.at.