Falscher Hausfreundtun & lassen

Illustration: Much

Immo aktuell (September 2023)

Ein digitales Board sorgt derzeit in diversen Wiener Wohnhäusern für Unmut. Seine Botschaften richten sich an künftige Investor:innen – auch im sozialen Wohnbau.

Kurz vor Jahresende machten dieMieter:innen des Arwag-Wohnhauses in der Wiener Schliemanngasse eine seltsame Entdeckung. In ihren Hauseingängen hängen seither digitale Boards in rund eineinhalb Meter hohen Metallumrahmungen.
Ohne Zustimmung der Bewohner:innen wurden die drei Geräte des Anbieters puck (https://puck.io) in den Wänden verankert, mit einem Helligkeitswert von 300 Candela pro Quadratmeter, liegen die Displays im Grenzbereich der zulässigen Werte für PC-Bildschirme. Schalterlos bringt der neue Verbraucher Licht ins Dunkel, aus dem Internet ruft er Wetterdaten und Verkehrsverbindungen ab. Für Smartphone-Nutzer:innen sind diese Informationen keineswegs neu, der Wissensvorsprung stellt sich erst mit Blick auf das untere Drittel des Displays her: «Wir kaufen Ihr Zinshaus» steht dort, ergänzt um ein Inserat der Immobilien-Investmentfirma Rendity. Es adressiert nicht die Mieter:innen des einst als Vorzeigeprojekt für leistbares «Wohnen im schönsten Wien» lancierten Franklin-Karrees, sondern jene, die am Kauf ihrer Wohnstätte interessiert sein könnten.

Basisdemokratische Intervention

«puck hat das Zusammenleben im Haus negativ beeinflusst», sagt Mieter:innenvertreter Georg L.. «Bis zu 7 Prozent Rendite sind dir noch nicht genug!» – dieser Werbeslogan klingt in seinen Ohren mehr als zynisch. Zwei Monate nach Anbringung der digitalen Boards hat die Arwag die Mietkosten um 7,5 Prozent angehoben und dies mit der Inflationsanpassung begründet, demnächst folgen Erhöhungen für Strom, Wasser und Fernwärme; es gälte herauszufinden, ob die gestiegenen Kosten mit der Wartung und Montage des puck Boards verbunden sind und das werden die Mieter:innen mit Blick auf die Gesamtabrechnung des Hauses im Herbst auch tun.
«Wir sind zuversichtlich, dass das Ding bald wegkommt», meint auch Mieter:innenvertreterin Melitta P.. Das angeblich kostenfreie Service sei mit keinem zusätzlichen Nutzen verbunden: Es bestehe größtenteils aus Werbung, die Ankündigungen der Hausverwaltung klebten in Papierform weiterhin daneben. «Nein zum virtuellen Hausmeister» hatten die Bewohner:innen des Franklin-Karrees bereits zu Jahresbeginn beschlossen. Von 117 Hausparteien haben 90 gegen die fremdverordnete Digitalinnovation unterschrieben, von der Arwag wurde die Unterschriftenliste monatelang ignoriert – bis die Hausbetreuerin das Handtuch warf.

Datenkrake und falscher Freund

Der «gute Geist auf einen Klick» findet sich derzeit nicht nur in einigen Arwag-Wohnhäusern, sondern auch in den Luxusimmobilien von Brandt-IMV, Santner, Otto Friedrich und Winegg.
Im Vergleich mit der puck-Version in Wien-Floridsdorf sind die hochpreisigeren Häuser der Wiener Immobilienwirtschaft bereits mit der erweiterten Variante ausgestattet. Dort imponiert der magische Dschinn der heimischen Hausindustrie durch ein elektronisches Schlüsselservice sowie ein hauseigenes Postboxensystem, das sich in Konkurrenz zu dem der heimischen Post behaupten soll. «puck door» und «puck box» sind nicht ohne puck-App am Smartphone benutzbar und unterstellen die Mieter:innen damit einem Digitalzwang. Sie müssen den Datenverarbeitungsbedingungen der puck immobilien app services GmbH zustimmen und geben damit standortbezogene Daten, E-Mail-Adresse, Nutzer-ID und Wohnadresse an den Hersteller weiter. Entwickeln ließ den virtuellen Hausgeist mit App-Anbindung Daniel Jelitzka, Geschäftsführer von JP Immobilien und Experte für Bauträgergeschäft, Zinshaus-Investment und die Sanierung von Altbauten; gefördert wird sein «Service» von staatlicher Seite mit bis zu 70-prozentiger Rückerstattung.

Flaschengeist und Betongold

Ohne Beteiligung von Politiker:innen käme die Immobilienbranche auf ihrem Feldzug kaum voran. Ihre prominentesten Vertreter:innen investieren derzeit in den weniger profitträchtigen Informationstechnologiesektor und bereiten damit ein neues Geschäftsfeld vor: Privatisierungen im Bereich des sozialen Wohnbaus. Bereits im Dezember 2021 hatte die Arwag-Holding-AG den Verkauf von 45 Prozent ihrer Anteile an den privaten Investor Klemens Hallmann beschlossen, im April 2022 wurde Thomas Drozda (SPÖ) neuer Vorstand der Arwag; seit Oktober 2022 ist die Arwag mit 10-prozentigem Anteil Eigentümerin von puck.io. Die Neos-dominierte Digitalbranche ist über Geldeinlagen dieser Art ebenso erfreut wie puck-Investor und Sebastian-Kurz-Intimus Florian Gschwandtner. Dank dieser smarten Freunde wird Thomas Drozda jenen «starken Partner aus der Immobilienbranche», nach dem Wien-Holding-Pressesprecher Wolfgang Gatschnegg Ausschau hält, wohl bald gefunden haben.
Sind die Arwag-Immobilien erst einmal in privater Hand, können Wohnungen des Wohnservice Wien zu freien Marktpreisen vermietet werden. Mithilfe von puck.io lassen sie sich schneller verscherbeln – das digitale Board bewirbt online Häuser, die offline noch nicht zu haben sind.

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