Gastarbajteri würdigentun & lassen

Savo Ristić (Foto: Michael Bigus)

Savo Ristic´ setzt sich für die Errichtung eines Gastarbeiter:innen-Denkmals in Wien ein. Mit Erfolg: Bald ist es soweit.

Fast 60 Jahre nachdem die ersten Gastarbeiter:innen hierher kamen, denen das Wirtschaftswunder zu danken ist, gibt es in Wien noch immer kein Denkmal, welches dies öffentlich anerkennt. Warum?

Savo Ristić: Denkmäler spiegeln eine Gesellschaft. Auch fehlende Denkmäler, die es nicht gibt, sagen viel über eine Gesellschaft aus. Migration ist ein Politikum, ein heißes Eisen. Wenn wir eine Kostenzahl für das Denkmal nennen, heißt es von vielen Seiten, das Geld bräuchte es für was anderes, es gäbe andere Prioritäten. Andererseits ist die Errichtung eines Denkmals allein schon bürokratisch ein komplexes Vorhaben. Es braucht viele Menschen innerhalb und außerhalb Institutionen, die an einem Strang ziehen, und es braucht Koordinierung. Verschiedene Magistrate, Behörden auf Bundes- und Landesebene sind dafür zuständig, alle müssen mitspielen. Und dann gibt es politische Parteien, die ganz klar dagegen sind.

Tatsache ist: Gastarbeiter:innen haben – um es rein finanziell zu begründen – viel mehr an individuellem und kollektivem Reichtum eingebracht als das Denkmal kosten kann. Sie haben zum Aufschwung der Wirtschaft so wesentlich beigetragen. Das ist unumstritten. Sie verdienen eine Würdigung. Musiker:innen bekommen auch einen Applaus, wenn sie auf der Bühne performen. Es geht um eine öffentliche Anerkennung.

Das Denkmal kommt, es gibt also mehr Unterstützer:innen als Gegner:innen?

Savo Ristić: Ja! Als ich 2019 begann, mich öffentlich und intensiv dafür stark zu machen, fand ich sehr schnell Zuspruch. Unterstützung von Anfang an bekam ich vom Kollektiv Musmig und von Tanja Wehsely, Geschäftsführerin der Volkshilfe Wien, ehemalige SPÖ-Abgeordnete zum Wiener Landtag. Im Laufe der Zeit haben sich viele aus der Politik, der Wirtschaft, der Wissenschaft sowie aus unterschiedlichen Körperschaften der Idee angeschlossen. Außerdem nahm die Stadt Wien die Aufstellung eines Denkmals zur Migrationsgeschichte in die Kulturstrategie 2030 auf und präsentierte sie zum ersten Mal im April 2023 bei einer Veranstaltung im Wiener Rathaus.

Was ist dein persönlicher Bezug zu diesem Denkmal?

Savo Ristić: Ich bin in Österreich gezeugt, in Kroatien geboren. Meine Eltern waren Gastarbeiter:innen, kehrten nach vielen Jahren zurück, weil meine Mutter die Sehnsucht nach ihren kleinen Kindern, meinen Geschwistern, damals nicht aushalten konnte. Ich kam mit 20 Jahren als Student nach Wien, mittlerweile bin ich 45 Jahre alt, verheiratet, habe einen Sohn. Ich brauchte viele Jahre um mich in Österreich politisch zu betätigen. In Österreich angekommen, ist man als Migrant:in eher leiser, man passt sich an, nimmt sich Integration als größtes Gebot. Es ist ein Prozess, sich zu politisieren, aktiv zu werden, immer lauter und selbstbewusster.
Mein Vater war stolz über jedes einzelne Haus, das er in Österreich mitgebaut hat. Wie ein Künstler hat er sich mit seinen Werken identifiziert. Wir müssen das Nichtverschwinden dieser Geschichte reklamieren. Mir ist es persönlich wichtig, dass das Denkmal viel Sichtbarkeit bekommt, nicht auf einem versteckten Platz aufgestellt wird, sondern an einem prominenten passenden Ort.

Du hast eine sehr konkrete Vorstellung davon.

Savo Ristić: Es soll im heutigen Areal des Hauptbahnhofs, am ehemaligen Südbahnhof stehen. Denn er war nicht nur ein Ort des Ankommens, er war vor allem ein wichtiger Treffpunkt für die Wiener Gastarbeiter:innen. Dort haben sie Arbeit gesucht und gefunden, dort haben sie sich getroffen, er war das Wohnzimmer, über das sie in ihren kleinen Wohnungen nicht verfügten.
Es soll nicht nur ein Denkmal sein, optimalerweise ist es in einem Bildungsort eingebettet, umrahmt von Bildungsevents für Schüler:innen, für Studierende, für alle. Das ist eine Idee von Şenol Grasl-Akkılıç, dem Verantwortlichen für Diversitätsarbeit der Volkshilfe Wien.

Wie sieht es denn genau aus, in deiner Vision?

Savo Ristić: Das Denkmal ist groß, mindestens drei Meter hoch, bunt. Ob mit Menschen oder abstrakt, es ist positiv, zukunftsweisend und in hundert Jahren als – für seine Zeit – modernes Werk bewundert. In enger Abstimmung mit öffentlichen Stellen ausgeschrieben, beschäftigt sich ein Team aus Menschen mit und ohne Migrationsbiografie damit, vielleicht selber Gastarbeiter:innen-Kinder, die Kunst studieren beispielsweise. Dieser Prozess ist per se bereits bereichernd. Das ist mein Vorschlag, mein Anliegen. Was nicht sein soll: ein Prestige-Projekt, Werk von renommierten Künstler:innen, die nichts mit dem Thema am Hut haben.
Das Denkmal trägt den Namen Gastarbajteri, wie sich die Arbeiter:innen aus Jugoslawien damals untereinander bezeichnet haben, wie auch die Ausstellung 2004 hieß, die als Moment für die erste öffentliche Anerkennung der Arbeitsmigration gilt.
Ein Anlass wäre das 60-Jahre-Jubiläum des Anwerbeabkommens mit der Türkei kommendes Jahr. Sollte es länger brauchen, ist das vollkommen in Ordnung. Hauptsache es kommt. Bis dahin werde ich nicht aufhören, laut dafür zu lobbyieren.

 

Volkshilfe unterstützt

«Die Geschichte der Stadt ist eng mit der Geschichte der Zuwanderung verbunden. Wien war und ist immer schon durch die kulturelle und gesellschaftliche Vielfalt der Bevölkerung geprägt. Gerade in Favoriten leisteten etwa die ‹Ziegelböhmen› einen wesentlichen Beitrag zur Entfaltung Wiens. Ebenso hat die Geschichte der Zuwander:innen der 1960er-Jahre aus Ex-Jugoslawien und der Türkei einen starken Bezug zum 10. Bezirk. Der Südbahnhof – heute Hauptbahnhof – war DER Ort, an dem sie in Österreich ankamen. Hier ein Denkmal aufzustellen, bedeutet für uns, gemeinsam an die Vergangenheit im Positiven zu erinnern.
Dass der Bundeskanzler die Verdienste der Migrant:innen nun in Abrede stellt, die FPÖ sich gar das Gastarbeiter:innenmodell aneignen will, ist ein Schlag ins Gesicht dieser Menschen. Wir stehen für eine Anerkennung der Verdienste dieser Menschen. Die Idee von Savo Ristić, das ‹Gastarbajteri-Denkmal› am Hauptbahnhof zu errichten, unterstützen wir tatkräftig. Das Denkmal ist ein starkes Zeichen für den Zusammenhalt unserer Gesellschaft.»

Tanja Wehsely,
Geschäftsführerin der Volkshilfe Wien