Im Schatten des Ernst-Happel-Stadionsvorstadt

Wiens Fußballplätze (22): der Elektra-Platz

Regionalliga, dahin soll es gehen. Sportlich hinken die Elektra-Spieler diesem ehrgeizigen Ziel derzeit zwar noch etwas hinterher, doch ambientemäßig ist der Leopoldstädter Verein schon jetzt für größere Aufgaben gerüstet, wovon sich Wenzel Müller (Text und Fotos) bei einem Besuch auf dem Elektra-Platz ein Bild machen konnte.Das Kapperl. Daran erkenne ich Erwin sofort. Das Kapperl trug er schon früher immer, am Montagabend, wenn er zum Training unserer Werkself, des Schwarz-Weiß Augustin, kam. Nun treffe ich Erwin auf dem Elektra-Platz wieder.

Die Elektra: Es gab eine Zeit, da maß sich der Leopoldstädter Fußballverein mit Größen wie Rapid Wien. Das liegt nun allerdings schon ein halbes Jahrhundert zurück, damals machten die Vereine in der obersten Spielklasse noch den Staatsmeister unter sich aus. Heute spielt die Elektra in der Wiener Liga.

Erwin sitzt an einem Tisch gleich hinter dem Stadioneingang und wartet auf seine Haberer. Vor sechs Jahren hat er seine Fußballkarriere bei Schwarz-Weiß Augustin ausklingen lassen. Das Knie kaputt, dito die Schultern. Der Körper spielte einfach nicht mehr mit. Der ganz normale Tribut an das Alter. Erwin erzählt, dass er im Laufe seines Lebens bei nicht weniger als 30 Vereinen gespielt habe, immer als Mittelfeldspieler. Als er die Fußballschuhe endgültig an den Nagel hing, war er immerhin schon 70.

Vor wenigen Jahren drohte das Aus der Elektra. Schulden über Schulden. Da sprang eine Bank als Sponsor und Retter ein. Inzwischen ist die Elektra der einzige Fußballklub, den die Leopoldstadt vorzuweisen hat. Denn die anderen Vereine – FC Engerth, SV Prater und wie sie sonst hießen – haben sich mit der Zeit nach und nach verabschiedet.

Erwin ist in der Leopoldstadt aufgewachsen, sein seit Kindheitsjahren bestehendes Naheverhältnis zur Elektra ist also allein schon geographisch begründet. Zuletzt wirkte er, bereits in Pension, in dem Verein als «Matchorganisator» für die Jugendabteilung: «Ich musste dafür sorgen, dass vor einem Spiel alles in Ordnung ist, dass die Dressen da sind und das Flutlicht funktioniert.»

Heute befindet sich der Elektra-Platz am Josef-Fritsch-Weg, die Fußballer sind Untermieter im sogenannten Energiezentrum. Ein gepflegter Platz, der Rasen einwandfrei, die Toiletten geruchsneutral. Im Hintergrund, nur einen Tormann-Ausschuss entfernt, der große Nachbar: das Ernst-Happel-Stadion. Dessen weites Oval erinnert die «Elektriker» stets daran, dass auch im Fußball Luft nach oben ist.

Die Freunde von Erwin sind eingetroffen, und gemeinsam begeben sie sich auf ihren Stammplatz, auf das Bankerl direkt unter der Anzeigetafel. Erwin ist schon zu den Elektra-Heimspielen gegangen, als die noch auf dem Platz in der Engerthstraße 230 ausgetragen wurden, doch der musste inzwischen einem Wohnhaus-Neubau weichen. Es war ein Hartplatz der üblichen und berüchtigten Art. «Manchmal hat es da so sehr gestaubt, dass man den Ball gar nicht mehr gesehen hat», sagt Erwin. So etwas droht auf dem neuen Platz nicht. Obwohl: Auch der ungehinderte Blick auf das Spielgeschehen hat seine Schattenseiten, die etwa, dass so manche Schwäche der Elektra-Elf schonungslos offenbar wird. Die offizielle Vereins-Marschroute lautet: Innerhalb der nächsten zwei Jahre Aufstieg in die Regionalliga. Sportlich hinkt die Mannschaft diesem ehrgeizigen Ziel noch nach, aber ambientemäßig ist der Verein schon jetzt für größere Aufgaben gerüstet. Musik kommt nicht einfach aus Lautsprechern, sondern von DJ Daffy, und gleich daneben, beim Buffet, gibt es nicht nur Würstchen, sondern auch eine feine Grillplatte, inklusive Salat.

Das Spiel ist aus. Niederlage von Elektra. Erwin macht sich auf den Heimweg. Enttäuscht? Nein, mit dem Alter kommt auch eine gewisse Gelassenheit. Erwin erinnert daran, dass die Elektra einmal während einer ganzen Saison nur einen einzigen Punkt geholt habe. Sagt es, lacht und verabschiedet sich.

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