Kinder- und ElterndramaArtistin

Roman

Im Frühling 1934 entschlossen sich sozialdemokratische und kommunistische Eltern, die im Bürgerkrieg vom faschistischen Ständestaat verfolgt wurden, ihre Kinder in (vermeintliche) Sicherheit zu bringen. Ljuba Arnautovićs Roman Junischnee zeichnet das leidvolle Schicksal von österreichischen Kindern nach, die über die Tschechoslowakei in die Sowjetunion gebracht wurden. Ein neues Zuhause in verschiedenen Heimen fanden sie nicht, es wurde aber noch schlimmer, als sie in die Mühlen der Weltpolitik gerieten und sie ab dem Überfall von Hitlers Truppen in Stalins Reich als Staatsfeinde angesehen wurden. Die Autorin ist die Tochter des Protagonisten, der nach zehn Jahren Gulag in Sibirien schwer gezeichnet an Körper und Seele als Staatenloser in sein Heimatland heimkehrte. Sein Bruder überlebte die Odyssee nicht. Die meisten finden auch nach dem Krieg in Wien keine Ruhe. Zitat: «Wie ist es zu erklären, dass ausgerechnet jenes Land ihrer Zuflucht absurde Beschuldigungen, nächtelange Verhöre, Folter, Lagerhaft, Kälte, Hunger, Krankheit und Tod für sie bereithielt?» Gleichzeitig wunderten sie sich, warum den Russen in Österreich so großer Hass entgegenschlägt, wo sie es doch waren, die das Land vom Hitler-Faschismus (mit)befreit hatten. Dieses berührende Buch könnte auch zu mehr Empathie und Sensibilität aufrufen, z. B. wenn Flüchtlingsfamilien ohne Not auseinandergerissen oder Zusammenführungen erbarmungslos verhindert werden.

Ljuba Arnautović: Junischnee
Zsolnay Verlag 2021
192 Seiten, 22,90 Euro

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