Teilen und Genießentun & lassen

Kaffee trinken in schweren Zeiten: das Sospeso-Konzept

«C’è un caffè sospeso?» – «Gibt es einen aufgehobenen Kaffee?» Diese Frage hat eine über hundertjährige Tradition in Neapel. Ein Blick auf die Kreidetafel zeigt vier Striche hinter dem mit wackeliger Schrift gekritzelten Wort «Espresso». Der Barista wirft die Espressomaschine an, löscht mit dem Tuch einen Kreidestrich von der Tafel und reicht der jungen Frau auf der anderen Seite der Theke die Tasse mit dem frisch duftenden Kaffee. Aufgehoben heißt, ein anderer hat schon bezahlt. Entstanden ist die Aktion also als eine Regung der Freude und Großzügigkeit.

Die Sospeso-Sache hat durch die Wirtschaftskrise eine neue Dynamik bekommen. Auch in Neapel hat der geteilte Kaffee nun plötzlich existenzielle Bedeutung erlangt. Nicht nur Kaffee, sondern auch Brot, kleine Mahlzeiten oder Gemüse werden so zwischen Unbekannten geteilt. In Serbien oder Montenegro machen über hundert Bäckereien, Gasthäuser und kleine Märkte mit. Auf einer solidarischen Landkarte im Internet sind diese Orte verzeichnet, an denen es für Leute, die sich das Notwendigste nicht mehr leisten können, Kleinigkeiten zu essen und zu trinken gibt. Unbürokratisch, anonym, ohne Beschämung ist das Ziel. Schon bezahlt, heißt es dann.

Sospeso kann man auch mit «schwebend» übersetzen. In Berlin ist daraus der «fliegende Kaffee» geworden. «Für viele ist das Café mehr als nur eine bloße Auftankstation: Es ist Treffpunkt, Arbeitsplatz und Freizeitgestaltung zugleich. Das Café ist ein kommunikativer Raum, in dem jeder Mensch seinen Platz haben sollte. Fehlt das Kaffee-Geld, kann dem städtischen Treiben lediglich von außen zugeschaut werden», erklärt die Berliner Initiative. «Wir wollen das Café wieder für alle öffnen.»

«Einen Kaffee für mich und eine Sospeso», so tönt es auch im Café Emmi in St. Pölten. Auf die Idee gekommen ist ein Emmi-Stammkunde, der davon im Internet gelesen hatte. Das Emmi hat prompt reagiert und wenige Tage später mit der Stricherlliste angefangen. Auch das Tachles am Wiener Karmelitermarkt ist eingestiegen. «Ich finde es wichtig, dass es bei «Bo(h)nuskaffee» nicht darum geht, sich aufzuopfern und sich seine «Gute Tat des Tages» zu verdienen», umschreibt das Tachles seine Motivation. «Man unterstützt sich freiwillig gegenseitig, ohne Erwartung, einfach weil es gerade passt.»

Kaffee Sospeso – Bo.h.nuskaffee: Wie geht das?

Es ist ganz einfach. Ich zahle zwei Kaffee – einen für mich und einen für jemanden, der es sich nicht leisten kann. Personen zahlen im Voraus in einem Lokal für Essen oder Trinken, das für jemand bestimmt ist, die_der nicht das nötige Geld hat. Spender_in und Empfänger_in bleiben einander unbekannt, um Großzügigkeit, Stolz und den Genuss von Kaffee auch in schweren Zeiten zu schützen.

Leute rund ums «Häferl» der Diakonie, Straßenzeitungsverkäufer_innen des Augustin und Selbstvertreter_innen der Armutskonferenz haben sich zusammengetan, um die Aktion Bo.h.nuskaffee jetzt auch in Österreich zu befördern.

www.facebook.com/Bohnuskaffee

www.sospeso-bohnuskaffee.at

Frag dein Stammkaffee, ob es mitmacht!

«Ich kann jedem Lokalbesitzer die klare Empfehlung geben mitzumachen. Es kostet nichts, ist individuell und unkompliziert auszuführen und schafft, außer guten Gesprächen, Vertrauen – im Team sowie zu und von unseren Gästen.» Daniel Landau, Café Tachles