Warum wir «Trikont» lieben & brauchenArtistin

Tippfehler und Kampflieder

Die erste «Trikont»-Platte wurde unglaubliche zehntausend Mal verkauft: Ein selbst eingesungener Sampler der «Trikont»-Crew mit radikalen Kampfliedern «ohne jeden Pop-Appeal», erzählen Christof Meueler und Franz Dobler in «Die Trikont-Story. Musik, Krawall & andere Schöne Künste».Gegründet wurde «Trikont», vorerst Buchverlag, dann Plattenlabel, 1967 in Köln, der Hauptstadt des Sozialistischen Studentenbundes SDS. Auf die Idee waren Gisela Erler, Herbert Röttgen und Achim Bergmann im AK Dritte Welt des SDS gekommen, «aus vielen Zufällen», wie Erler sagt – nicht aus Geschäftssinn. Die ersten Bücher seien voller Tippfehler gewesen, professionelle Verleger_innen hätten dem «Trikont» eine kurze Halbwertszeit vorausgesagt: «Alles, auch die Buchhaltung war sehr dilettantisch – aber voller Leidenschaft.» Heute gilt «Trikont» als eines der wichtigsten Independent-Labels: Vom chilenischen Widerstand bis Bernadette La Hengst, von Schroeder Roadshow bis Attwenger, vom Wiener Volkslied bis zu den «Songs of Gastarbeiter» schreibt die «Trikont-Story» Musikgeschichte. Meueler und Dobler haben daraus ein dickes Nachschlagwerk gemacht, das entlang der Jahrzehnte von 1967 bis heute den Werdegang von Verlag und Label eingebettet in die Konjunkturen linker Bewegungspolitik erzählt. Wien spielt dabei – von Klezmer bis Fritz Ostermayer – eine gar nicht so geringe Rolle.

Auf der Frankfurter Buchmesse im Oktober 2017 war der heute 74-jährige Achim Bergmann mit «Trikont» wieder dabei. Bei einer Buchvorstellung gegen das politische Erbe von 1968 rief er den rechten Diskutanten eine Beschimpfung zu; daraufhin schlug ihm ein junger Mann beim Stand der rechten Zeitung «Junge Freiheit» die Faust ins Gesicht – «mit einem Selbstbewusstsein wie 1933», kommentiert Bergmann. Dass rechte Verlage auf der Frankfurter Buchmesse wie selbstverständlich als Teil des Spektrums vertreten sind, ist ein Desaster für sich. Dass es Labels wie «Trikont» braucht, um dagegenzuhalten, versteht sich von selbst.

Christof Meueler, Franz Dobler:

Die Trikont-Story. Musik, Krawall & andere Schöne Künste.

Heyne Hardcore 2017

462 Seiten, 30,90 Euro

trikont.de