Widerständig steil gehenArtistin

Musikarbeiter unterwegs … einmal über die Landesgrenze(n)

­Feine Sahne Fischfilet wurden schon als «derzeitig wichtigste Band Deutschlands» (Magazin «Ox») bezeichnet. Kurz vor Jahreswechsel waren sie in Wien. Von Rainer Krispel (Text) und ­Mario Lang (Foto).

Zurück in unserer Stadt» ist das erste Lied auf «Sturm & Dreck», dem fünften Album der 2007 in Greifswald (nahe Rostock, Mecklenburg-Vorpommern, ehemals DDR) gegründeten Band. Selbst wenn punkige Musik mit Bläsern kein Getränk ist, zu dem ich bevorzugt greife, die Energie ist unwiderstehlich (Opener!), und dann schießt Sänger Jan «Monchi» Gorkow das Sextett in mein österreichgeplagtes linkes Punkerherz. «Wir sind zurück in dieser Stadt/und scheißen vor eure Burschenschaft.» Ja, ein bisschen rustikal, aber das wird mensch doch noch singen dürfen! In Wien sind Feine Sahne Fischfilet (neben Monchi Trompeter Max Bobzin, Bassist Kai Irrgang, Drummer Olaf Ney, Trompeter Jacobus North und Gitarrist Christoph Sell), weil sie am Abend für die Toten Hosen in der Wiener Stadthalle eröffnen. Nicht schlecht für eine Band, deren 2009er-Debüt als «Standard-Rotzpunk» («Ox») beschrieben wurde, die aber seither nicht nur musikalisch, sondern auch inhaltlich kontinuierlich «steil geht». Dabei ist das Sextett einer sich stets entwickelnden linken Grundhaltung ein so angreifbarer («wer so viel feiert, der ist auch oft allein») wie vernehmbarer Botschafter. Mit wachsender Resonanz von Publikum und Medien vergessen sie weder auf Selbstreflexion noch auf ihren Humor. «Ich kann immer noch nicht sing’/und spiel jetzt bei Rock am Ring» («Alles auf Rausch»).

Sturm & Dreck. Kurz vor dem Gespräch mit Monchi und Christoph ist eine Presseinformation im Maileingang, über einen gerichtlichen Freispruch des Sängers. Zu Unrecht angeklagt im Zusammenhang mit einem Vorfall, bei dem er gemeinsam mit anderen eine Demonstration von Geflüchteten vor Neonazis schützte. Einen ersten Bekanntheitsschub erfuhren ­Feine Sahne Fischfilet, als sie im Verfassungsschutzbericht Mecklenburg-Vorpommerns öffentlichkeitswirksam als «linksextrem» geführt wurden. Wofür sie sich artig mit Besuch und Geschenken bei den Verfassungsschützer_innen bedankten, in Folge erfolgreich gegen Verwendung eines Bandfotos im Bericht 2012 klagten. Seit 2015 haben die beamteten Ideologiewächter_innen ihre Einschätzung nicht wiederholt. 2016 tourte die Band unter dem Motto «Noch nicht komplett im Arsch – Zusammenhalten gegen den Rechtsruck» vor der Landtagswahl (AfD: 20,8 Prozent) durchs Bundesland. Walk it like you talk it. Die beiden erzählen von einer Sozialisation in der antifaschistischen Linken, deren Kultur – ausführliche Plena – für die gesamte Band bis heute essenziell ist. «Wir haben krasse Gemeinsamkeiten und totale Unterschiede.»

Wir haben uns. Während Christoph schon ewig Gitarre spielt und Bands wie ­Nirvana, Ramones, Dead Kennedys oder White Stripes als Einflüsse nennt, hat Monchi Musik mit Eltern – Udo Lindenberg, Stones – und Geschwistern – Caught in the Act, Die Prinzen – erlebt, zum Punkrock zog ihn die Energie, die Haltung, «die geilen Leute». «Ich lebe einen Traum, den ich nie hatte», sagt er, reflektiert die – großartige – Absurdität, gestern vor 11.000 Menschen in München zu spielen oder in Wien zuletzt im kleinen Raum der Arena gespielt zu haben. «Bock auf rauskommen und Sachen sehen», beschreibt er die Motivation einzusteigen, als er gefragt wurde, in einer Band zu singen. Ich kann mir gut vorstellen, wie mein Gegenüber mit seinen Freunden auf der Bühne kollektiv abgeht, Feine Sahne Fischfilet gelten als exorbitant gute Liveband. Diese Livequalitäten, das ganz Unmittelbare ihrer Musik, haben sie mit Produzent Tobias Kuhn (selber toller Musiker!) erstmals zur vollständigen eigenen Zufriedenheit einfangen können. Wobei sie Alben wie «Scheitern & Verstehen» (2012) und «Bleiben oder Gehen» (2015) als gültige Bestandsaufnahmen ihrer damaligen Positionen und Befasstheiten weiter wertschätzen. «Vor dem TV krieg’ ich keine Empathie», sagt Monchi. Alle zwölf neuen Lieder sind (sehr) persönliche Geschichten. Wie «Suruç», über einen Aufenthalt an der syrisch-türkischen Grenze, mit Hilfsgütern unterwegs nach Kobane (talk it like …), fünf Minuten nach einem Selbstmordattentat. Oder «Angst fressen Seele auf», Solidarität für eine von einer Naziband namentlich mit Mord bedrohte Freundin. Viele Aspekte eines Lebens voll im «Sturm & Dreck» des «allgemeinen gesellschaftlichen Rechtsrucks» erklingen hier. Ohne Resignation, voller Liebe und Kraft. Kloß im Hals, Augenwasser, als Monchi «Niemand wie ihr», das Lied für seine Eltern, rezitiert. «Sollt ich mal Kinder haben, will ich so sein wie ihr/Ich find´s scheiße was du machst, aber ich steh zu dir/Ich steh zu dir.» Aus der Kernfamilie geht dann der Blick noch einmal in die Breite. «Mund abwischen, weitermachen (…) Jetzt ist nicht die Zeit, dass sich die geilen Leute, die es in einer Gesellschaft gibt zurückziehen – weiter versuchen geile Sachen zu machen.»

 

Feine Sahne Fischfilet: «Sturm & Dreck»

(Audiolith)

Live: 2. Februar, Arena

feinesahnefischfilet.de